[Erster Teil]
Summarischer Begriff der streitigen Artikel
zwischen
den Theologen Augsburgischer Konfession, in nachfolgender Wiederholung nach Anleitung Gottes Worts christlich erklärt unverglichen.
Mit Kurfl. Gn. zu Sachsen Befreiung. Dresden 1579 [1580]
Von dem summarischen Begriff, Regel und Richtschnur
nach welcher alle Lehre geurteilt und die eingefallenen Irrungen christlich entschieden und erklärt werden sollen.
1] 1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die einige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilt werden sollen, sind allein die prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neün Testaments; wie geschrieben steht: “Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege”, Ps. 119. Und St. Paulus: “Wenn ein Engel vom Himmel käme und predigte anders, der soll verflucht sein”, Gal. 1.
2] Andere Schriften aber der alten oder neün Lehrer, wie sie Namen haben, sollen der Heiligen Schrift nicht gleichgehalten, sondern alle zumal miteinander derselben unterworfen und anders oder weiter nicht angenommen werden denn als Zeugen, welcher Gestalt nach der Apostel Zeit und an welchen Orten solche Lehre der Propheten und Apostel erhalten worden.
3] 2. Und nachdem gleich nach der Apostel Zeit, auch noch bei ihrem Leben, falsche Lehrer und Ketzer eingerissen, und wider dieselben in der ersten Kirche Symbola, das ist, kurze, runde Bekenntnisse, gestellt, welche für den einhelligen, allgemeinen christlichen Glauben und Bekenntnis der rechtgläubigen und wahrhaftigen Kirche gehalten, als nämlich das Symbolum Apostolicum, Symbolum Nicaenum und Symbolum Athanasii; bekennen wir uns zu denselben und verwerfen hiermit alle Ketzereien und Lehren, so denselben zuwider in die Kirche Gottes eingeführt worden sind.
4] 3. Soviel aber die Trennung in Glaubenssachen belangt, zu unsern Zeiten eingefallen, halten wir für den einhelligen Konsens und Erklärung unsers christlichen Glaubens und Bekenntnisses, besonders wider des Papsttums [wider das Papsttum] und dessen falschen Gottesdienst, Abgötterei, Aberglauben und [wider] andere Sekten, als dieser Zeit unserm Symbolo [unser Symbolum], die erste, ungeänderte Augsburgische Konfessions Kaiser Karolo V. zu Augsburg Anno 30 usw. in der großen Reichsversammlung ubergeben, samt derselben Apologie und Artikeln, [so] zu Schmalkalden Anno 37 gestellt und von den vornehmsten Theologen damals unterschrieben worden.
5] Und weil solche Sachen auch den gemeinen Laien und derselben Seelen Seligkeit betreffen, bekennen wir uns auch zu dem Kleinen und Großen Katechismo Doktor Luthers, wie solche beide Katechismi in den tomis Lutheri verfaßt, als zu der Laienbibel, darin alles begriffen, was in Heiliger Schrift weitläufig gehandelt und einem Christenmenschen zu seiner Seligkeit zu wissen vonnöten ist.
6] Nach dieser Anleitung, wie oben vermeldet, sollen alle Lehren angestellt, und was derselben zuwider, als unsers Glaubens einhelliger Erklärung entgegen, verworfen und verdammt werden.
7] Solchergestalt wird der Unterschied zwischen der Heiligen Schrift Alten und Neün Testaments und allen andern Schriften erhalten, und bleibt allein die Heilige Schrift der einige Richter, Regel und Richtschnur, nach welcher als dem einigen Probierstein sollen und müssen alle Lehren erkannt und geurteilt werden, ob sie gut oder bös, recht oder unrecht seien.
8] Die andern Symbola aber und angezogenen Schriften sind nicht Richter wie die Heilige Schrift, sondern allein Zeugnis und Erklärung des Glaubens, wie jederzeit die Heilige Schrift in streitigen Artikeln in der Kirche Gottes von den damals Lebenden verstanden und ausgelegt und derselben widerwärtige Lehre verworfen und verdammt worden.
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I. Von der Erbsünde.
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STATUS CONTROVERSIAE.
Die Hauptfrage in diesem Zwiespalt.
1] Ob die Erbsünde sei eigentlich und ohne allen Unterschied des Menschen verderbte Natur, Substanz und Wesen oder ja das vornehmste und beste Teil seines Wesens, als die vernünftige Seele selbst in ihrem höchsten Grad und Kräften, oder ob zwischen des Menschen Substanz, Natur, Wesen, Leib, Seele, auch nach dem Fall und der Erbsünde, ein Unterschied sei, also daß ein anderes die Natur und ein anderes die Erbsunde sei, welche in der verderbten Natur steckt und die Natur verderbt.
AFFIRMATIVA.
Reine Lehre, Glaube und Bekenntnis vermöge vorgesetzter Richtschnur und summarischer Erklärung.
2] 1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß ein Unterschied sei zwischen der Natur des Menschen, nicht allein wie er anfangs von Gott rein und heilig ohne Sünde erschaffen, sondern auch wie wir sie jetzund nach dem Fall haben, nämlich zwischen der Natur, so auch nach dem Fall noch eine Kreatur Gottes ist und bleibt, und der Erbsünde, und daß solcher Unterschied so groß als der Unterschied zwischen Gottes und des Teufels Werk sei.
3] 2. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß über solchem Unterschied mit höchstem Fleiß zu halten, weil diese Lehre, daß zwischen unserer verderbten Menschennatur und der Erbsünde kein Unterschied sein sollte, wider die Hauptartikel unsers christlichen Glaubens von der Erschaffung, Erlösung, Heiligung und Auferstehung unsers Fleisches streitet und neben denselben nicht bestehen kann.
4] Denn nicht allein Adams und Evas Leib und Seele vor dem Fall, sondern auch unsern Leib und Seele nach dem Fall, unangesehen daß sie verderbt, [hat] Gott geschaffen, welche auch Gott noch für sein Werk [an]erkennt, wie geschrieben steht Hiob 10: “Deine Hände haben mich gearbeitet und gemacht alles, was ich um und um bin.” Deut. 32; Jes. 45. 54. 64; Act. 17; Ps. 100. 139; Eccl. 12.
5] Es hat auch der Sohn Gottes in Einigkeit seiner person solche menschliche Natur, doch ohne Sünde, und also nicht ein fremd, sondern unser Fleisch an sich genommen, und [ist] nach demselben unser wahrhaftiger Bruder [ge]worden. Hebr. 2: “Nachdem die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er’s gleichermaßen teilhaftig worden.” Item: “Er nimmt nirgend die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams nimmt er an sich; daher muß er allerdinge seinen Brüdern, ausgenommen die Sünde, gleich werden.” 6] Also hat es auch Christus erlöst als sein Werk, heiligt es als sein Werk, erweckt es von den Toten und ziert es herrlich als sein Werk. Aber die Erbsünde hat er nicht erschaffen, nicht angenommen, nicht erlöst, nicht geheiligt, wird sie auch nicht erwecken an den Auserwählten, weder zieren noch selig machen, sondern in der Auferstehung gar vertilgt sein wird.
7] Daraus der Unterschied zwischen der verderbten Natur und der Verderbung, so in der Natur steckt und die Natur dadurch verderbt worden, leichtlich zu erkennen.
8] 3. Wir glauben, lehren und bekennen aber inwiederum, daß die Erbsünde nicht sei eine schlechte [geringe], sondern so tiefe Verderbung menschlicher Natur, daß nichts Gesundes oder unverderbt an Leib und Seele des Menschen, seinen innerlichen und äußerlichen Kräften geblieben, sondern wie die Kirche singt: “Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschliche Natur und Wesen”; 9] welcher Schade unaussprechlich, nicht mit der Vernunft, sondern allein aus Gottes Wort erkennet [erkannt] werden mag; 10] und daß die Natur und solche Verderbung der Natur niemand voneinander scheiden könne denn allein Gott, welches durch den Tod in der Auferstehung gänzlich geschehen, da unsere Natur, die wir jetzt tragen, ohne die Erbsünde und von derselben abgesondert und abgeschieden, auferstehen und ewig leben wird, wie geschrieben steht Hiob 19: “Ich Werde mit dieser meiner Haut umgeben werden und werde in meinem Fleisch Gott sehen; denselben werde ich mir sehen, und meine Augen werden ihn schaün.”
NEGATIVA.
Verwerfung der falschen Gegenlehre.
11] 1. Demnach verwerfen und verdammen wir, wenn gelehrt wird, daß die Erbsünde allein ein reatus oder Schuld von wegen fremder Verwirkung, ohne einige unserer Natur Verderbung sei.
12] 2. Item, daß die bösen Lüste nicht Sünde, sondern angeschaffene wesentliche Eigenschaften der Natur seien, oder als wäre der obgemeldete Mangel oder Schade nicht wahrhaftig Sünde, darum der Mensch außerhalb Christo ein Kind des Zornes sein sollte.
13] 3. Desgleichen verwerfen wir auch den pelagianischen Irrtum, da vorgegeben wird, daß die Natur des Menschen auch nach dem Fall unverderbt und sonderlich in geistlichen Sachen ganz gut und rein in ihren naturalibus, das ist, in ihren natürlichen Kräften, geblieben sei.
14] 4. Item, daß die Erbsünde nur von außen ein schlechter, [ge]ringschätziger, eingesprengter Fleck oder anfliegender Makel sei, darunter die Natur ihre guten Kräfte auch in geistlichen Sachen behalten habe.
15] 6. Item, das die Erbsünde sei nur ein äußerlich Hindernis der guten geistlichen Kräfte und nicht eine Beraubung oder Mangel derselben; als wenn ein Magnet mit Knoblauchsaft bestrichen wird, dadurch seine natürliche Kraft nicht weggenommen, sondern allein gehindert wird; oder daß derselbe Makel wie ein Fleck vom Angesicht oder Farbe von der Wand leichtlich abgewischt worden könnte.
16] 6. Item, daß im Menschen nicht gar verderbt sei menschlich Natur und Wesen, sondern der Mensch habe noch etwas Gutes an ihm [an sich], auch in geistlichen Sachen, als nämlich Frömmigkeit [*Fähigkeit], Geschicklichkeit, Tüchtigkeit oder Vermögen, in geistlichen Sachen etwas anzufangen, zu wirken oder mitzuwirken.
17] 7. Dagegen verwerfen wir auch die falsche Lehre der Manichäer, wenn gelehrt wird, daß die Erbsünde als etwas wesentlich es und Selbständiges durch den Satan in die Natur eingegossen und mit derselben vermengt [sei], wie Gift und Wein gemengt werden.
18] 8. Item, daß nicht der natürliche Mensch, sondern etwas anderes und Fremdes im Menschen sündige, deswegen nicht die Natur, sondern allein die Erbsünde in der Natur angeklagt werde.
19] 9. Wir verwerfen und verdammen auch als einen manichäischen Irrtum, wenn gelehrt wird, daß die Erbsünde sei eigentlich und ohne allen Unterschied des verderbten Menschen Substanz, Natur und Wesen selbst, also daß kein Unterschied zwischen der verderbten Natur nach dem Fall an ihr selbst und der Erbsünde sollte auch nicht gedacht, noch mit Gedanken voneinander unterschieden werden können.
20] 10. Es wird aber solche Erbsünde von Luthero Natursünde, Personsünde, wesentliche Sünde genennet [genannt], nicht daß die Natur, Person oder das Wesen des Menschen selbst ohne allen Unterschied die Erbsünde sei, sondern daß mit solchen Worten der Unterschied zwischen der Erbsünde, so in der menschlichen Natur steckt, und den andern Sünden, so man wirkliche Sünden nennt, angezeigt würde.
21] 11. Denn die Erbsünde ist nicht eine Sünde, die man tut, sondern sie steckt in der Natur, Substanz und Wesen des Menschen; also wenngleich kein böser Gedanke nimmer im Herzen des verderbten Menschen aufstiege, kein unnütz Wort geredet [würde], noch böse Tat geschähe, so ist doch die Natur verderbt durch die Erbsünde, die uns im sündlichen Samen angeboren wird und ein Brunnqüll ist aller andern wirklichen Sünden, als böser Gedanken, Worte und Werke, wie geschrieben steht: “Aus dem Herzen kommen arge Gedanken”; item: “Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.” Matth. 15; Gen. 6.
22] 12. So ist auch wohl zu merken der ungleiche Verstand des Wortes: “Natur”, dadurch die Manichäer ihren Irrtum bedecken und viel einfältige Leute irremachen. Denn zuzeiten heißt es des Menschen Wesen, als wenn gesagt wird: Gott hat die menschliche Natur geschaffen. Zuzeiten aber heißt es die Art und Unart eines Dinges, die in der Natur oder Wesen steckt, als wenn gesagt wird: Der Schlange Natur ist stechen, und des Menschen Natur und Art ist sündigen und Sünde; da das Wort: “Natur” nicht die Substanz des Menschen, sondern etwas heißt, das in der Natur oder Substanz steckt.
23] 13. Was aber die lateinischen Worte substantia und accidens belangt, weil es nicht Heiliger Schrift Worte sind, dazu dem gemeinen Mann unbekannt, sollen dieselben in den Predigten vor dem gemeinen unverständigen Volke nicht gebraucht, sondern des einfältigen Volks damit verschont werden.
24] Aber in der Schule bei den Gelehrten, weil sie wohl bekannt und ohne allen Mißverstand gebraucht, dadurch das Wesen eines jeden Dings, und was ihm zufälligerweise anhängt, eigentlich unterschieden [wird], werden solche Worte auch billig in der Disputation von der Erbsunde behalten.
25] Denn der Unterschied zwischen Gottes und des Teufels Werk auf das deutlichste dadurch angezeigt [wird], weil der Teufel keine Substanz schaffen, sondern allein zufälligerweise aus Gottes Verhängnis die von Gott erschaffene Substanz verderben kann.
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II. Vom freien Willen.
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STATUS CONTROVERSIAE
Die Hauptfrage in diesem Zwiespalt.
1] Nachdem des Menschen Wille in vier ungleichen Ständen gefunden, nämlich 1. vor dem Fall, 2. nach dem Fall, 3. nach der Wiedergeburt, 4. nach der Auferstehung des Fleisches, ist [so ist hier doch] die Hauptfrage allein von dem Willen und Vermögen des Menschen im andern Stande, was derselbe nach dem Fall unserer ersten Eltern vor seiner Wiedergeburt ans ihm [aus sich] selbst in geistlichen Sachen für Kräfte habe, und ob er vermöge, aus seinen eigenen Kräften, zuvor und ehe er durch den Geist Gottes wiedergeboren, sich zur Gnade Gottes [zu] schicken und [zu] bereiten und die durch den Heiligen Geist im Wort und heiligen Sakramenten angebotene Gnade an[zu]nehmen oder nicht.
AFFIRMATIVA.
Reine Lehre vermöge Gottes Worts von diesem Artikel.
2] 1. Hiervon ist unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis, daß des Menschen Verstand und Vernunft in geistlichen Sachen blind, nichts verstehe aus seinen eigenen Kräften, wie geschrieben steht: “Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und .kann es nicht begreifen, wenn er wird von geistlichen Sachen gefragt”, 1 Kor. 2!
3] 2. Desgleichen glauben, lehren und bekennen wir, daß des Menschen unwiedergeborner Wille nicht allein von Gott abgewendet, sondern auch ein Feind Gottes worden [geworden ist], daß er nur Lust und Willen hat zum Bösen und was Gott zuwider ist, wie geschrieben steht: “Das Dichten des Menschenherzens ist böse von Jugend auf”, Gen. 8; item: “Fleischlich gesinnet sein ist eine Feindschaft wider Gott, sintemal es dem Gesetz nicht untertan ist, denn es vermag es auch nicht”, Röm. 8. Ja, sowenig ein toter Leib sich selbst lebendig machen kann zum leiblichen, irdischen Leben, so wenig mag [kann] der Mensch, so durch die Sünde geistlich tot ist, sich selbst zum geistlichen Leben aufrichten; wie geschrieben steht: “Da wir tot waren in Sünden, hat er uns samt Christo lebendig gemacht”, Eph. 2. Darum wir auch: “aus uns selbst, als aus uns, nicht tüchtig sind, etwas Gutes zu gedenken, sondern das wir tüchtig sind, das ist von Gott”, 2 Kor. 3!
4] 3. Die Bekehrung aber wirkt Gott der Heilige Geist nicht ohne Mittel, sondern gebraucht dazu die Predigt und das Gehör Gottes Worts, wie geschrieben steht: “Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen”, Röm. 1; item: “Der Glaube kommt aus dem Gehör Gottes Worts”, Röm. 10. 5] Und ist Gottes Wille, daß man sein Wort hören und nicht die Ohren verstopfen solle, Ps. 95. Bei solchem Wort ist der Heilige Geist gegenwärtig und tut auf die Herzen, daß sie, wie die Lydia in der Apostelgeschichte am 16. Kapitel, daraus merken und also bekehrt werden allein durch die Gnade und Kraft des Heiligen Geistes, dessen Werk allein ist die Bekehrung des Menschen. 6] Denn ohne seine Gnade ist unser Wollen und Laufen, unser Pflanzen, Säen und Begießen alles nichts, Röm. 9; 1 Kor. 3, wenn er nicht das Gedeihen dazu verleiht, wie Christus sagt: “ohne mich vermögt ihr nichts.” Mit welchen kurzen Worten er dem freien Willen seine Kräfte abspricht und alles der Gnade Gottes zuschreibt, damit sich nicht jemand vor Gott rühmen möchte, 1 Kor. 9, 16!
NEGATIVA.
Widerwärtige falsche Lehre.
7] Demnach verwerfen und verdammen wir alle nachfolgenden Irrtümer als der Richtschnur Gottes Worts zuwider:
8] 1. Den Schwarm der Philosophen, so man Stoicos genennet [genannt] hat, wie auch die Manichäer, die gelehrt haben, daß alles, was geschehe, müsse also geschehen und könne nicht anders geschehen, und daß der Mensch alles aus Zwang tü, was er auch in äußerlichen Dingen handele, und zu bösen Werken und Taten, als Unzucht, Raub, Mord, Diebstahl und dergleichen, gezwungen werde.
9] 2. Wir verwerfen auch der groben Pelagianer Irrtum, die gelehrt haben, daß der Mensch aus eigenen Kräften ohne die Gnade des Heiligen Geistes sich selbst zu Gott bekehren, dem Evangelio glauben, dem Gesetze Gottes mit Herzen gehorsamen und also Vergebung der Sünden und ewiges Leben verdienen könne.
10] 3. Wir verwerfen auch der Halbpelagianer Irrtum, welche lehren, daß der Mensch aus eigenen Kräften den Anfang seiner Bekehrung machen, aber ohne die Gnade des Heiligen Geistes nicht vollbringen möge.
11] 4. Item, da gelehrt wird, obwohl der Mensch mit seinem freien Willen vor seiner Wiedergeburt zu schwach, den Anfang zu machen und sich selbst aus eigenen Kräften zu Gott zu bekehren und Gottes Gesetz von Herzen gehorsam zu sein, jedoch, wenn der Heilige Geist mit der Predigt des Worts den Anfang gemacht und seine Gnade darin angeboten, daß alsdann der Wille des Menschen aus seinen eigenen natürlichen Kräften etlichermaßen etwas, wiewohl wenig und schwächlich, dazu tun, helfen und mitwirken, sich selbst zur Gnade schicken, bereiten, dieselbe ergreifen, annehmen und dem Evangelio glauben könne.
12] 5. Item, daß der Mensch, nachdem er wiedergeboren, das Gesetz Gottes vollkommen halten und gänzlich erfüllen könne, und daß solche Erfüllung unsere Gerechtigkeit vor Gott sei, mit welcher wir das ewige Leben verdienen.
13] 6. Item, wir verwerfen und verdammen auch den Irrtum der Enthusiasten, welche dichten, daß Gott ohne Mittel, ohne Gehör Gottes Worts, auch ohne Gebrauch der heiligen Sakramente, die Menschen zu sich ziehe, erleuchte, gerecht und selig mache. Enthusiasten heißen, die ohne die Predigt Gottes Worts auf himmlische Erleuchtung des Geistes warten.
14] 7. Item, daß Gott in der Bekehrung und Wiedergeburt des alten Adams Substanz und Wesen und sonderlich die vernünftige Seele ganz vertilge und ein neüs Wesen der Seele aus nichts in der Bekehrung und Wiedergeburt erschaffe.
15] 8. Item, wenn diese Reden ohne Erklärung gebraucht [werden], daß des Menschen Wille vor, in und nach der Bekehrung dem Heiligen Geist widerstrebe, und daß der Heilige Geist gegeben werde denen, so ihm vorsätzlich und beharrlich Widerstreben; denn Gott in der Bekehrung aus den unwilligen Willige macht und in den Willigen wohnt, wie Augustinus redet.
16] Was [so]dann die Reden der alten und neün Kirche ihrer belangt, als da gesagt Wird. Deus trahit, sed volentem trahit, das ist. Gott zeucht [zieht], zeucht aber, die da wollen: item. Hominis voluntas in conversione non est otiosa, sed agit aliquid, das ist: Des Menschen Wille ist nicht müßig in der Bekehrung, sondern wirkt auch etwas. weil solche Reden zur Bestätigung des natürlichen freien Willens in der Bekehrung des Menschen wider die Lehre von der Gnade Gottes eingeführt, halten wir, daß sie der Form der gesunden Lehre nicht ähnlich und demnach, wenn von der Bekehrung zu Gott geredet wird, billig zu meiden seien.
17] Dagegen aber wird recht geredet, daß Gott in der Bekehrung durch das Ziehen des Heiligen Geistes aus widerspenstigen, unwilligen willige Menschen mache, und daß nach solcher Bekehrung in täglicher Übung der Buße des Menschen wiedergeborner Wille nicht müßig gehe, sondern in allem Wirken [in allen Werken] des Heiligen Geistes, die er durch uns tut, auch mitwirke.
18] 9. Item, das Doktor Luther geschrieben, daß des Menschen Wille in seiner Bekehrung sich halte pure passive, das ist, daß er ganz und gar nichts tü, daß solches zu verstehen sei respectu divinae gratiae in accendendis novis motibus, das ist, wenn der Geist Gottes durch das gehörte Wort oder durch den [Ge]Brauch der heiligen Sakramente des Menschen Willen angreift und wirkt die neü Geburt und Bekehrung; denn so der Heilige Geist solches gewirkt und ausgerichtet [hat], und des Menschen Wille allein durch seine göttliche Kraft und Wirkung geändert und erneürt alsdann ist der neü Wille des Menschen ein Instrument und Werkzeug Gottes des Heiligen Geistes, daß er nicht allein die Gnade annimmt, sondern auch in folgenden Werken des Heiligen Geistes mitwirkt.
19] Daß also vor der Bekehrung des Menschen nur zwei wirkliche [bewirkende] Ursachen sich finden, nämlich der Heilige Geist und das Wort Gottes, als das Instrument des Heiligen Geistes, dadurch er die Bekehrung wirkt, welches der Mensch hören soll, aber demselben nicht aus eigenen Kräften, sondern allein durch die Gnade und Wirkung Gottes des Heiligen Geistes Glauben geben und [es] annehmen kann.
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III. Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott.
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STATUS CONTROVERSIAE
Hauptfrage in diesem Zwiespalt.
1] Weil einhellig vermöge Gottes Worts und nach Inhalt der Augsburgischen Konfession in unsern Kirchen bekannt [wird], daß wir armen Sünder allein durch den Glauben an Christum vor Gott gerecht und selig werden, und also Christus allein unsere Gerechtigkeit sei, welcher wahrhaftiger Gott und Mensch ist, weil in ihm die göttliche und menschliche Natur miteinander persönlich vereinigt [sind], Jer. 23; 1 Kor. 1; 2 Kor. 5, ist eine Frage entstanden, nach welcher Natur Christus unsere Gerechtigkeit sei, und [sind] also zwei widerwärtige Irrtümer in etlichen Kirchen eingefallen.
2] Denn der eine Teil hat gehalten, daß Christus allein nach der Gottheit unsere Gerechtigkeit sei, wenn er durch den Glauben in uns wohnt, gegen welcher durch den Glauben einwohnenden Gottheit aller Menschen Sünde wie ein Tropfen Wasser gegen dem großen Meer [gegen welche durch den Glauben einwohnende Gottheit aller Menschen Sünde wie ein Tropfen Wasser gegen das grosse Meer] geachtet sei. Dagegen haben andere gehalten, Christus sei unsere Gerechtigkeit vor Gott allein nach der menschlichen Natur.
AFFIRMATIVA.
Reine Lehre der christlichen Kirche wider beide jetzt gesetzten Irrtümer.
3] 1. wider beide jetzt erzählten Irrtümer glauben, lehren und bekennen wir einhelliglich, daß Christus unsere Gerechtigkeit weder nach der göttlichen Natur allein noch auch nach der menschlichen Natur allein, sondern der ganze Christus nach beiden Naturen allein in seinem gehorsam sei, den er als Gott und Mensch dem Vater bis in Tod geleistet und uns damit Vergebung der Sünden und das ewige Leben verdient habe; wie geschrieben steht: “Gleich wie durch eines Menschen Ungehorsam viel Sünder worden, also durch eines Menschen Gehorsam werden viele gerecht”, Röm. 5.
4] 2. Demnach glauben, lehren und bekennen wir, daß unsere Gerechtigkeit vor Gott sei, daß uns Gott die Sünde vergibt aus lauter Gnade, ohne alle unsere vor[her]gehenden, gegenwärtigen oder nachfolgenden Werke, Verdienst oder Würdigkeit, schenkt und rechnet uns zu die Gerechtigkeit des Gehorsams Christi, um welcher Gerechtigkeit willen wir bei Gott zu Gnaden angenommen und für gerecht gehalten werden.
5] 3. Wir glauben, lehren und bekennen, daß allein der Glaube das Mittel und das Werkzeug sei, damit wir Christum und also in Christo solche Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, ergreifen, um welches willen uns solcher Glaube zur Gerechtigkeit zugerechnet wird, Röm. 4.
6] 4. Wir glauben, lehren und bekennen, das dieser Glaube nicht sei eine bloße Erkenntnis der Historie von Christo, sondern eine solche Gabe Gottes, dadurch wir Christum, unsern Erlöser, im Wort des Evangelii recht erkennen und auf ihn vertraün, daß wir allein um seines Gehorsams willen aus Gnaden Vergebung der Sünden haben, für fromm und gerecht von Gott dem Vater gehalten und ewig selig werden.
7] 5. Wir glauben, lehren und bekennen, daß nach Art Heiliger Schrift das Wort: “rechtfertigen” in diesem Artikel heiße absolvieren, das ist, von Sünden ledig sprechen. : “Wer den Gottlosen recht spricht und den Gerechten verdammet, der ist vor dem Hern ein Greül”, Prov. 17; item: “Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hie, der da gerecht machet”, Röm. 8.
8] Und da an desselben Statt die Worte regeneratio und vivificatio, das ist, Lebendigmachung und Wiedergeburt, gebraucht [werden], wie in der Apologia geschieht, daß es auch in gleichem Verstand geschehe, dadurch sonst die Erneürung des Menschen verstanden und von der Rechtfertigung des Glaubens unterschieden wird.
9] 6. Wir glauben, lehren und bekennen auch, unangesehen daß den Rechtgläubigen und wahrhaftig Wiedergebornen auch noch viel Schwachheit und Gebrechen anhängt bis in die Grabe, da sie doch [daß sie doch] der Ursache halben weder an ihrer Gerechtigkeit, so ihnen durch den Glauben zugerechnet, noch an ihrer Seelen Seligkeit zweifeln, sondern für gewiß halten sollen, das sie um Christus’ willen vermöge der Verheißung und Worts des heiligen Evangelii einen gnädigen Gott haben.
10] 7. Wir glauben, lehren und bekennen, das zur Erhaltung reiner Lehre von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott über den particulis excIusivis, das ist, über [den] nachfolgenden Worten des heiligen Apostels Pauli, dadurch der [das] Verdienst Christi von unsern Werken gänzlich abgesondert und Christo die Ehre allein gegeben [wird], mit besonderem Fleiß zu halten sei, da der heilige Apostel Paulus schreibt: “Aus Gnaden, ohne Verdienst, ohne Gesetz, ohne Werke, nicht aus den Werken” welche Worte alle zugleich so viel heißen als: allein durch den Glauben an Christum werden wir gerecht und selig.
11] 8. Wir glauben, lehren und bekennen, daß, obwohl vor[her]gehende Reü und nachfolgende gute Werke nicht in den Artikel der Rechtfertigung vor Gott gehören, jedoch soll nicht ein solcher Glaube gedichtet werden, der bei und neben einem bösen Vorsatz zu sündigen und wider das Gewissen zu handeln, sein und bleiben könnte; sondern nachdem der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt worden, alsdann ist ein wahrhaftiger, lebendiger Glaube durch die Liebe tätig, Gal. 5, also daß die guten Werke dem gerechtmachenden Glauben allezeit folgen und bei demselben, da er rechtschaffen und lebendig, gewißlich erfunden werden; wie er denn nimmer allein ist, sondern allezeit Liebe und Hoffnung bei sich hat.
ANTITHESIS oder NEGATIVA.
Gegenlehre verworfen.
12] Demnach verwerfen und verdammen wir alle nachfolgenden Irrtümer:
13] 1. Das Christus unsere Gerechtigkeit sei allein nach der göttlichen Natur;
14] 2. Daß Christus unsere Gerechtigkeit sei allein nach der menschlichen Natur;
15] 3. Daß in den Sprüchen der Propheten und Apostel, da von der Gerechtigkeit des Glaubens geredet wird, die Worte: “rechtfertigen” und: “gerechtfertigt werden” nicht sollen heißen, von Sünden ledig sprechen oder gesprochen werden und Vergebung der Sünden erlangen, sondern von wegen der durch den Heiligen Geist eingegossenen Liebe, Tugend und daraus folgenden Werke mit der Tat vor Gott gerecht gemacht werden;
16] 4. Das der Glaube nicht allein ansehe den Gehorsam Christi, sondern seine göttliche Natur, wie dieselbe in uns wohnt und wirkt, und durch solche Einwohnung unsere Sünden bedeckt werden;
17] 5. Daß der Glaube ein solch Vertraün auf den Gehorsam Christi sei, welcher in einem Menschen sein und bleiben könne, der gleich keine wahrhaftige Buße habe, da auch keine Liebe folge, sondern [der Mensch] wider sein Gewissen in Sünden verharrt;
18] 6. Daß nicht Gott selbst, sondern allein die Gaben Gottes in den Gläubigen wohnen;
19] 7. Daß der Glaube darum selig mache, weil die Erneurung, so in der Liebe gegen Gott und den Nächsten stehe, in uns durch den Glauben angefangen werde;
20] 8. Daß der Glaube den Vorzug habe in der Rechtfertigung, gleichwohl gehöre auch die Erneurung und die Liebe zu unserer Gerechtigkeit vor Gott, dergestalt daß sie wohl nicht die vornehmste Ursache unserer Gerechtigkeit, aber gleichwohl unsere Gerechtigkeit vor Gott ohne solche Liebe und Erneurung nicht ganz oder vollkommen sei;
21] 9. Daß die Gläubigen vor Gott gerechtfertigt werden und selig seien zugleich durch die zugerechnete Gerechtigkeit Christi und durch den angefangenen neün Gehorsam oder zum Teil durch die Zurechnung der Gerechtigkeit Christi, zum Teil aber durch den angefangenen neün Gehorsam;
22] 10. Daß uns die Verheißung der Gnade zugeeignet werde durch den Glauben im Herzen und durch die [durch das] Bekenntnis, so mit dem Munde geschieht, und durch andere Tugenden;
23] 11. Das der Glaube nicht rechtfertige ohne die guten Werke, also daß die guten Werke notwendig zur Gerechtigkeit erfordert, ohne derselben Gegenwärtigkeit der Mensch nicht gerechtfertigt werden könne.
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IV. Von guten Werken.
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STATUS CONTROVERSIAE
Die Hauptfrage im Streit von den guten Werken.
1] Über der Lehre von guten Werken sind zweierlei Spaltungen in etlichen Kirchen entstanden. Erstlich haben sich etliche Theologen über nachfolgenden Reden getrennt, da der eine Teil geschrieben :
2] 1. “Gute Werke sind nötig zur Seligkeit; es ist unmöglich, ohne gute Werke selig zu werden”; item: “Es ist niemals jemand ohne gute Werke selig [ge]worden”; der andere aber dagegen geschrieben: “Gute Werke sind schädlich zur Seligkeit.”
3] 2. Danach hat sich auch zwischen etlichen Theologen über den beiden Worten: “nötig” und: “frei” eine Trennung erhoben, da der eine Teil gestritten, man solle das Wort: “nötig” nicht brauchen von dem neün Gehorsam, der nicht aus Not und Zwang, sondern aus freiwilligem Geist herfließe; der andere Teil hat über dem Wort: “nötig” gehalten, weil solcher Gehorsam nicht in unserer Willkür stehe, sondern die wiedergebornen Menschen schuldig seien, solchen Gehorsam zu leisten.
4] Aus welcher Disputation über den Worten nachmals ein Streit von der Sache an ihr selbst sich zugetragen, das der eine Teil gestritten, man sollte ganz und gar unter den Christen das Gesetz nicht treiben, sondern allein aus dem heiligen Evangelio die Leute zu guten Werken vermahnen; der andere hat es widersprochen.
AFFIRMATIVA.
Reine lehre der christlichen Kirche von diesem Streit.
5] Zu gründlicher Erklärung und Hinlegung [Beilegung] dieses Zwiespalts ist unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis:
6] 1. Das gute Werke dem wahrhaftigen Glauben, wenn derselbe nicht ein toter, sondern ein lebendiger Glaube ist, gewißlich und ungezweifelt folgen als Früchte eines guten Baumes.
7] 2. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß die guten Werke gleich so wohl, wenn von der Seligkeit gefragt wird, als im Artikel der Rechtfertigung vor Gott gänzlich ausgeschlossen werden sollen, wie der Apostel mit klaren Worten bezeugt, da er also geschrieben: “Nach welcher Weise auch David sagt, daß die Seligkeit sei allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke, da er spricht: Selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeit nicht zugerechnet wird”, Röm. 4; und abermals: “Aus Gnaden seid ihr selig worden; Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme”, Eph. 2.
8] 3. Wir glauben, lehren und bekennen auch, das alle Menschen, sonderlich aber die durch den Heiligen Geist wiedergeboren und erneürt [sind], schuldig seien, gute Werke zu tun.
9] 4. In welchem Verstande die Worte: “nötig”, “sollen” und: “müssen” recht und christlich auch von den Wiedergebornen gebraucht werden und keinesweges dem Vorbilde gesunder Worte und Reden zuwider sind.
10] 5. Doch soll durch ermeldete Werke necessitas, necessarium, “Not” und: “notwendig”, wenn von den Wiedergebornen geredet [wird], nicht ein Zwang, sondern allein der schuldige Gehorsam verstanden werden, welchen die Rechtgläubigen [die wahrhaft Gläubigen], soviel sie wiedergeboren, nicht aus Zwang oder Treiben des Gesetzes, sondern aus freiwilligem Geiste leisten, weil sie nicht mehr unter dem Gesetze, sondern unter der Gnade sind, Röm. 7 und 8.
11] 6. Demnach glauben, lehren und bekennen wir auch, wenn gesagt wird: Die Wiedergebornen tun gute Werke aus einem freien Geist, daß solches nicht verstanden werden soll, als ob es in des wiedergebornen Menschen Willkür stehe, Gutes zu tun oder zu lassen, wann er wolle, und gleichwohl den Glauben behalten möge, wenn er in Sünden vorsätzlich verharrt.
12] 7. Welches doch anders nicht verstanden werden soll, denn wie es der Herr Christus und seine Apostel selbst erkläret [erklären], nämlich von dem freigemachten Geist, das er solches nicht tü aus Furcht der Strafe, wie ein Knecht, sondern aus Liebe der [ans Liebe zur] Gerechtigkeit, wie die Kinder, Röm. 8.
13] 8. Wiewohl diese Freiwilligkeit in den Auserwählten Kindern Gottes nicht vollkommen, sondern mit großer Schwachheit beladen ist, wie St. Paulus über sich selbst klagt Röm. 7, Gal. 5.
14] 9. Welche Schwachheit doch der Her seinen Auserwählten nicht zurechnet um des Hern Christi willen, wie geschrieben steht: “Es ist nun nichts Verdammliches in denen, so in Christo Jeu sind”, Röm. 8.
15] 10. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß den Glauben und die Seligkeit in uns nicht die Werke, sondern allein der Geist Gottes durch den Glauben erhalte, des Gegenwärtigkeit und Inwohnung [Einwohnung] die guten Werke Zeugen sind.
NEGATIVA.
Falsche Gegenlehre.
16] 1. Demnach verwerfen und verdammen wir diese Weise zu reden, wenn gelehrt und geschrieben wird, daß gute Werke nötig seien zur Seligkeit; item, daß niemand jemals ohne gute Werke sei selig [ge]worden; item, daß es unmöglich sei, ohne gute Werke selig [zu] werden.
17] 2. Wir verwerfen und verdammen diese bloße Rede als ärgerlich und christlicher Zucht nachteilig, wenn geredet wird: Gute Werke sind schädlich zur Seligkeit.
18] Denn besonders zu diesen letzten Zeiten nicht weniger vonnöten [ist], die Leute zu christlicher Zucht und guten Werken zu vermahnen und zu erinnern, wie nötig es sei, daß sie zur Anzeigung ihres Glaubens und Dankbarkeit bei [gegen] Gott sich in guten Werken üben, als daß die Werke in den Artikel der Rechtfertigung nicht eingemengt werden, weil .durch einen epikurischen Wahn vom Glauben die Menschen sowohl als durch das papistische und pharisäische Vertraün auf eigene Werke und Verdienste verdammt werden können.
19] 3. Wir verwerfen und verdammen auch, wenn gelehrt wird, daß der Glaube und Einwohnung des Heiligen Geistes nicht durch mutwillige Sünden verloren werden, sondern daß die Heiligen und Auserwählten den Heiligen Geist behalten, wenn sie gleich in Ehebruch und andere Sünden fallen und darin verharren!
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V. Vom Gesetz und Evangelio.
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STATUS CONTROVERSIAE
Die Hauptfrage in diesem Zwiespalt.
1] Ob die predigt des heiligen Evangelii eigentlich sei nicht allein eine Gnadenpredigt, die Vergebung der Sünden verkündigt, sondern auch eine Buß= und Strafpredigt, welche den Unglauben straft, der im Gesetz nicht gestraft, sondern allein durch das Evangelium gestraft werde.
AFFIRMATIVA.
Reine Lehre Gottes Worts.
2] 1. Wir glauben, lehren und bekennen, daß der Unterschied des Gesetzes und Evangelii als ein besonder herrlich Licht mit großem Fleiß in der Kirche zu erhalten [sei], dadurch das Wort Gottes nach der Vermahnung St. Pauli recht geteilt wird.
3] 2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß das Gesetz eigentlich sei eine göttliche Lehre, welche lehrt, was recht und Gott gefällig, und straft alles, was Sünde und Gottes Willen zuwider ist.
4] 3. Darum denn alles, was Sünde straft, ist und gehört zur Predigt des Gesetzes.
5] 4. Das Evangelium aber sei eigentlich eine solche Lehre, die da lehrt, was der Mensch glauben soll, der das Gesetz nicht gehalten [hat] und durch dasselbe verdammt [wird], nämlich das Christus alle Sünden gebüßt und bezahlt und ihm ohne alle sein Verdienst erlangt und erworben habe Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und das ewige Leben.
6] 5. Nachdem aber das Wort: “Evangelium” nicht in einerlei Verstand in Heiliger Schrift gebraucht [wird], daher denn dieser Zwiespalt ursprünglich entstanden, so glauben, lehren und bekennen wir, wenn durch das Wort: “Evangelium” verstanden wird die ganze Lehre Christi, die er in seinem Lehramt, wie auch seine Apostel geführt (in welchem Verstande es denn Mark 1, Act. 20 gebraucht), daß recht geredet und geschrieben [wird], das Evangelium sei eine Predigt von der Buße und Vergebung der Sünden.
7] 6. Wenn aber das Gesetz und Evangelium, wie auch Moses selbst [als] ein Gesetzeslehrer, und Christus als ein Prediger des Evangeliums gegeneinander gehalten [werden], glauben, lehren und bekennen wir, daß das Evangelium nicht eine Buß= oder Strafpredigt, sondern eigentlich anderes nichts denn eine Trostpredigt und fröhliche Botschaft sei, die nicht straft noch schreckt, sondern wider das Schrecken des Gesetzes die Gewissen tröstet, allein aus das Verdienst Christi weist und mit der lieblichen Predigt von der Gnade und Huld Gottes, durch Christus’ Verdienst erlangt, wieder aufrichtet.
8] 7. Was [so]dann die Offenbarung der Sünden belangt, weil die Decke Mosis allen Menschen vor den Augen hängt, solange sie die bloße Predigt des Gesetzes und nichts von Christo hören und also ihre Sünde aus dem Gesetz nicht recht lernen erkennen, sondern entweder vermessene Heuchler werden wie die Pharisäer oder verzweifeln wie Judas, so nimmt Christus das Gesetz in seine Hände und legt dasselbe geistlich aus, Matth. 5; Röm. 7. Und also wird Gottes Zorn vom Himmel herab geoffenbart über alle Sünder, wie groß derselbe sei, dadurch sie in das Gesetz gewiesen werden, und alsdann aus demselben erst recht lernen ihre Sünde erkennen; welche Erkenntnis Moses nimmermehr aus ihnen hätte erzwingen können.
9] Demnach, obwohl die Predigt vom Leiden und Sterben Christi, des Sohnes Gottes, eine ernstliche und schreckliche Predigt und Anzeigen [Anzeigung, Kundgebung] Gottes Zorns ist, dadurch die Leute erst recht in das Gesetz geführt [werden], nachdem ihnen die Decke Mosis hinweggetan, daß sie erst recht erkennen, wie große Dinge Gott im Gesetz von uns erfordert, deren wir keines halten können, und demnach alle unsere Gerechtigkeit in Christo suchen sollen:
10] 8. Doch solange dieses alles (nämlich Christus’ Leiden und Sterben) Gottes Zorn predigt und den Menschen schreckt, so ist es noch nicht des Evangelii eigentliche Predigt, sondern Mosis und des Gesetzes predigt und demnach ein fremdes Werk Christi, dadurch er kommt zu seinem eigenen Amt, das ist, Gnade predigen, trösten und lebendig machen, welches eigentlich die Predigt des Evangelii ist.
NEGATIVA.
Gegenlehre, so verworfen.
11] Demnach verwerfen wir und halten es für unrecht und schädlich, wenn gelehrt wird, daß das Evangelium eigentlich eine Buß= eine Strafpredigt und nicht allein eine Gnadenpredigt sei, dadurch das Evangelium wiederum zu einer Gesetzeslehre gemacht, das Verdienst Christi und Heilige Schrift verdunkelt, die Christen des rechten Trosts beraubt und dem Papsttum die Tür wiederum aufgetan wird.
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VI. Vom dritten Brauch des Gesetzes.
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STATUS CONTROVERSIAE
Die Hauptfrage von diesem Streit.
1] Nachdem das Gesetz den Menschen um dreierlei Ursache willen gegeben: erstlich, daß dadurch äußerliche Zucht wider die Wilden, Ungehorsamen erhalten [werde]; zum andern, daß die Menschen dadurch zur Erkenntnis ihrer Sünden geführt [werden]; zum dritten, nachdem sie wiedergeboren, und gleichwohl das Fleisch ihnen anhängt, daß sie um desselben willen eine gewisse Regel hätten, nach welcher sie ihr ganzes Leben anstellen und regieren sollen: hat sich ein Zwiespalt zwischen etlichen wenigen Theologen über den dritten [Ge]Brauch des Gesetzes zugetragen, ob nämlich auch bei den wiedergebornen Christen solches zu treiben sei oder nicht. Der eine Teil hat ja, der andere nein gesagt.
AFFIRMATIVA.
Die rechte christliche Lehre von diesem Streit.
2] 1. Wir glauben, lehren und bekennen, obwohl die recht gläubigen und wahrhaftig zu Gott bekehrten Menschen vom Fluch und Zwang des Gesetzes durch Christum gefreiet [befreit] und ledig gemacht [sind], daß sie doch der Ursache nicht ohne Gesetz seien, sondern darum von dem Sohn Gottes erlöst worden, das sie sich in demselben Tag und Nacht üben sollen, Ps. 119; wie denn unsere ersten Eltern auch vor dem Fall nicht ohne Gesetz gelebt welchen das Gesetz Gottes auch in das Herz geschrieben, da sie zum Ebenbild Gottes erschaffen worden, Gen. 2 und 3.
3] 2. Wir glauben, lehren und bekennen, das die Predigt des Gesetzes nicht allein bei den Ungläubigen und Unbussfertigen, sondern auch bei den Rechtgläubigen [wahrhaftig Gläubigen], wahrhaftig Bekehrten, Wiedergebornen und durch den Glauben Gerechtfertigten mit Fleiß zu treiben sei.
4] 3. Denn ob sie wohl wiedergeboren und in dem Geist ihres Gemüts verneürt [sind], so ist doch solche Wiedergeburt und Erneurung in dieser Welt nicht vollkommen, sondern nur angefangen, und stehen die Gläubigen mit dem Geist ihres Gemüts in einem stetigen Kampf wider das Fleisch, das ist, wider die verderbte Natur und Art, so uns bis in [den] Tod anhängt; um welches alten Adams wiIlen, so im Verstande, WiIlen und alIen Kräften des Menschen noch steckt, damits sie nicht aus menschlicher Andacht eigenwilIige und [selbst] erwählte Gottesdienste vornehmen, ist vonnöten, daß ihnen das Gesetz des Hern immer vorleuchte, desgleichen, daß auch der alte Adam nicht seinen eigenen WiIlen gebrauche, sondern wider seinen WiIlen nicht allein durch Vermahnung und Dräuung [Drohung] des Gesetzes, sondern auch mit den Strafen und Plagen gezwungen [werde], daß er dem Geist folge und sich gefangen gebe, 1 Kor. 9; Röm. 6. 7. 12; Gal. 5. 6; Ps. 119; Hebr. 13.
5] 4. Was [so]dann den Unterschied der Werke des Gesetzes und der Früchte des Geistes belangt, glauben, lehren und bekennen wir, daß die Werke, so nach dem Gesetz geschehen, so lange Werke des Gesetzes seien und genennet [genannt] werden, solange sie allein durch Treiben der Strafen und Dräuung Gottes Zorns aus den Menschen erzwungen werden.
6] 5. Früchte aber des Geistes sind die Werke, welche der Geist Gottes, so in den Gläubigen wohnt, wirkt durch die Wiedergebornen, und [die] von den Gläubigen geschehen, soviel sie wiedergeboren sind, als wenn sie von keinem Gebot Dräün oder Belohnung wußten; dergestalt denn die Kinder Gottes im Gesetz leben und nach dem Gesetz Gottes wandeln, welches St. Paulus in seinen Episteln das Gesetz Christi und das Gesetz des Gemüts nennt [*, und gleichwohl nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, Röm. 7 und 8].
7] 6. Also ist und bleibt das Gesetz beides bei den Bußfertigen und Unbußfertigen, bei wiedergebornen und nichtwiedergebornen Menschen ein einiges Gesetz, nämlich der Unwandelbare Wille Gottes, Und ist der Unterschied, soviel den Gehorsam belangt, aIlein an dem [an den] Menschen, da einer, so noch nicht wiedergeboren, dem Gesetz aus Zwang und unwiIlig (wie auch die Wiedergebornen nach dem Fleisch tut, was [es] von ihm erfordert, der Gläubige aber ohne Zwang mit wiIligem Geist, soviel er neugeboren, tut, das keine Dräuungen des Gesetzes aus ihm nimmermehr erzwingen könnten.
NEGATIVA.
Falsche Gegenlehre.
8] Demnach verwerfen wir als eine schädliche, christlicher Zucht und wahrhaftiger Gottseligkeit widerwärtige Lehre und Irrtum, wenn gelehrt wird, daß das Gesetz obgemeldeter Weise und Maß nicht bei den Christen und Rechtgläubigen, sondern aIlein bei den Ungläubigen, Unchristen und Unbußfertigen getrieben werden soIl.
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VII. Vom heiligen Abendmahl Christi.
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1] Wiewohl die zwinglischen Lehrer nicht unter die Augsburgische Konfessionsverwandten Theologen zu rechnen, als von denen sie sich gleich damals, als solche Konfession übergeben worden, abgesondert [haben], jedoch, weil sie sich mit eindringen und ihren Irrtum unter derselben christlichen Konfession Namen außubringen [*außubreiten] unterstehen, haben wir von diesem Zwiespalt auch notdürftigen Bericht tun woIlen.
STATUS CONTROVERSIAE
Der Hauptstreit zwischen unserer und der Sakramentierer Lehre in diesem Artikel.
2] Ob in dem heiligen Abendmahl der wahrhaftige Leib und Blut unsers Hern Jeu Christi wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig sei, mit Brot und Wein ausgeteilt und mit dem Munde empfangen werde von aIlen denen, so sich dieses Sakraments gebrauchen, sie seien würdig oder unwürdig, fromm oder unfromm, gläubig oder ungläubig, den Gläubigen zum Trost und Leben, den Ungläubigen zum Gericht? Die Sakramentierer sagen nein, wir sagen ja.
3] Zur Erklärung dieses Streits ist anfänglich zu merken, daß zweierlei Sakramentierer seien. Etliche sind grobe Sakramentierer, welche mit deutschen, klaren Worten vorgeben, wie sie im Herzen halten, daß im heiligen Abendmahl mehr nicht denn Brot und Wein gegenwärtig sei, ausgeteilt und mit dem Munde empfangen werde. 4] Etliche aber sind verschlagene und die aIlerschädlichsten Sakramentierer, die zum Teil mit unsern Worten ganz scheinbar reden und vorgeben, sie glauben auch eine wahrhaftige Gegenwärtigkeit des wahrhaftigen, wesentlichen, lebendigen Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahl, doch solches geschehe geistlich, durch den Glallben; 5] welche doch unter diesen scheinbaren [scheinbar wahren] Worten eben die erste grobe Meinung behalten, daß nämlich nichts denn Brot und Wein im heiligen Abendmahl gegenwärtig fei und mit dem Munde empfangen werde; denn geistlich heist ihnen anders nichts denn den [denn der] Geist Christi oder die Kraft des abwesenden Leibes Christi und sein Verdienst, welcher [welches] gegenwärtig sei; der Leib Christi aber sei aus keinerlei Weise noch Wege gegenwärtig, sondern allein droben im obersten Himmel, zu dem wir mit den Gedanken unsers Glaubens in [den] Himmel uns erheben und daselbst, aber gar nicht bei Brot und Wein des Abendmahls, solchen seinen Leib und Blut suchen soIlen. [In dem von Selneccer 1680 herausgegebenen lateinischen Konkordienbuch lautet der Abschnitt: “Vocabulum enim … praesens sit” also: “VocabuIum enim spiritualiter nihil aIiud ipsis significat quam Spiritum Christi, quem praesentem esse credunt, aut sub eo vocubulo virtutem absentis corporis Christi eiusque meritum intelligunt.” Mehreren Handschriften zufolge lautet der entsprechende deutsche Text: “Denn, geistlich’ heißt ihnen anders nichts denn den (der) Geist Christi, welcher gegenwärtig sei, oder die Kraft des abwesenden Leibes Christi und sein Verdienst.”]
AFFIRMATIVA.
Bekenntnis reiner Lehre vom heiligen Abendmahl wider die Sakramentierer.
6] l. Wir glauben, lehren und bekennen, daß im heiligen Abendmahl der Leib und Blut Christi wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig sei, mit Brot und Wein wahrhaftig ausgeteilt und empfangen werde.
7] 2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Worte des Testaments Christi nicht anders zu verstehen seien, denn wie sie nach dem Buchstaben lauten, also daß nicht das Brot den abwesenden Leib und der Wein das abwesende Blut Christi bedeute, sondern daß es wahrhaftig um sakramentlicher Einigkeit willen der Leib und Blut Christi sei. [Der letzte Satz: “sondern daß … Christi sei” lautete im Entwurf und in sämtlichen Ansbacher und Augsburger Handschriften: “sondern daß es wahrhaftig um sakramentlicher Einigkeit willen der Leib und Blut Christi wahrhaftig sei”. Einer der Redaktoren setzte die Frage an den Rand: “ob nicht das eine Wort wahrhaftig außulassen?” Statt bloßer Tilgung des Wortes wurde jedoch durch die Sorglosigkeit der Korrecktoren die Frage selbst in den Text zwischen: “Christi” und: “sie” eingerückt. Chemnitz, der diesen Druckfehler als pudendum erratum bezeichnet, trug darauf an, daß der betreffende Bogen umgedruckt werde. In den Exemplaren, welche der Kurfürst an die Fürsten und Reichsstände versandte, wurde der Fehler auch korrigiert, aber nicht in allen andern Exemplaren. Typographorum sordida avaritia obstitit, sagt Chemnitz. In den fünf von uns verglichenen Exemplaren des zu Dresden gedruckten Kondordienbuchs mit den Jahreßahlen 1580 und 1579 findet sich das pudendum erratum nicht.]
8] 3. Was [so]dann die Konsekration belangt, glauben, lehren und bekennen wir, das solche Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahl nicht schaffe einiges Menschenwerk oder sprechen des Dieners, sondern daß solche einig und allein der allmächtigen Kraft des Hern Jeu Christi zugeschrieben werden soll.
9] 4. Daneben aber glauben, lehren und halten [*bekennen] wir auch einhellig, daß im Gebrauch des heiligen Abendmahls die Worte der Einsetzung Christi keineswegs zu unterlassen, sondern öffentlich gesprochen Werden sollen, wie geschrieben steht: “Der gesegnete Kelch, den wir segnen” usw., 1 Kor 10, 16, welches Segnen durch das sprechen der Worte Christi geschieht.
10] 5. Die Grunde aber, daraus wir in diesem Handel stehen wider die Sakramentierer, sind, wie D. Luther solche in seinem großen Bekenntnis gesetzt hat.
11] Der erste ist dieser Artikel unsers christlichen Glaubens: Jesus Christus ist wahrhaftiger, wesentlicher, natürlicher, völliger Gott und Mensch, in einer Person unzertrennt und ungeteilt.
12] Der andere: daß Gottes rechte Hand allenthalben ist, zu welcher Christus, nach seiner menschlichen Natur mit der Tat und Wahrheit gesetzt, gegenwärtig regiert, in seinen Händen und unter seinen Füßen hat alles, was im Himmel und auf Erden ist, dahin sonst kein Mensch noch Engel, sondern allein Mariä Sohn gesetzt ist, daher er auch solches vermag.
13] Der dritte: daß Gottes Wort nicht falsch ist oder lüge.
14] Der vierte: daß Gott mancherlei Weise hat und weiß, etwa [irgendwo] an einem Orte zu sein, und nicht allein die einige, welche die Philosophi localem oder räumliche nennen.
15] 6. Wir glauben, lehren und bekennen, daß der Leib und Blut Christi nicht allein geistlich durch den Glauben, sondern auch mündlich, doch nicht aus kapernaitische, sondern [aus] übernatürliche, himmlische Weise um der sakramentlichen Vereinigung willen mit dem Brot und Wein empfangen werde, wie solches die Worte Christi klärlich ausweisen, da Christus heißet [befiehlt zu] nehmen, essen und trinken, wie denn von den Aposteln geschehen; denn geschrieben steht: “und sie tranken alle daraus”, Mark. 14. Desgleichen St. Paulus sagt: “Das Brot, das wir brechen, ist eine Gemeinschaft des Leibes Christi”, das ist: Wer dies Brot ißt, der ißt den Leib Christi; welches auch einhellig die vornehmsten alten Kirchenlehrer, Chrysostomus, Cyprianus, Leo I., Gregorius, Ambrosius, Augustinus, bezeugen.
16] 7. Wir glauben, lehren und bekennen, daß nicht aIlein die Rechtgläubigen [wahrhaft Gläubigen] und Würdigen, sondern auch die Unwürdigen und Ungläubigen empfangen den wahrhaftigen Leib und Blut Christi, doch nicht zum Leben und Trost, sondern zum Gericht und Verdammnis, wenn sie sich nicht bekehren und Buße tun, 1 Kor. 11.
17] Denn ob sie wohl Christum als einen Seligmacher von sich stoßen, so müssen sie ihn doch, auch wider ihren willen, als einen strengen Richter zulassen, welcher so [ebenso] gegenwärtig das Gericht auch in den unbußfertigen Gästen übt und erzeigt, als gegenwärtig er Leben und Trost in den Herzen der Rechtgläubigen und würdigen Gäste wirkt.
18] 8. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß nur einerlei unwürdige Gäste sind, nämlich die nicht glauben, von welchen geschrieben steht: “Wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet”, Joh. 3; welches Gericht durch unwürdigen [Ge]Brauch des heiligen Sakraments gehäuft, größer und schwerer wird, 1 Kor. 11.
9] 9. Wir glauben, lehren und bekennen, daß kein Rechtgläubiger, solange er den lebendigen Glauben behält, wie schwach er auch sein möchte, das heilige Abendmahl zum Gericht empfange, welches sonderlich den schwachgläubigen, doch bußfertigen Christen zum Trost und Stärkung ihres schwachen Glaubens eingesetzt worden.
20] 10. Wir glauben, lehren und bekennen, daß alle Würdigkeit der Tischgäste dieser himmlischen Mahlzeit sei und stehe aIlein in dem alIerheiligsten Gehorsam und voIlkommenen Verdienst Christi, welches wir uns durch wahrhaftigen Glauben züignen und des durch das Sakrament versichert werden, und gar nicht in unsern Tugenden, innerlichen und äußerlichen Bereitungen.
NEGATIVA.
Widerwärtige verdammte Lehre der Sakramentierer.
21] Dagegen verwerfen und verdammen wir einhellig aIle nachfolgenden irrigen Artikel, so der jetzt gesetzten Lehre, einfältigem Glauben und Bekenntnis vom Abendmahl Christi entgegen und zuwider sind:
22] 1. Die päpstische Transsubstantiation, da im Papsttum gelehrt wird, daß Brot und Wein im heiligen Abendmahl ihre Substanz und natürlich Wesen verlieren und also zunichte werden, daß es in den Leib Christi verwandelt werde, und aIlein die äußerliche Gestalt bleibe.
23] 2. Die päpstische Opfermesse für die Sünden der Lebendigen und Toten.
24] 3. Daß den Laien nur eine Gestalt des Sakraments gegeben, und wider die offenbaren Worte des Testaments Christi der Kelch ihnen vorgehalten [vorenthalten], und [sie] seines Bluts beraubt werden!
25] 4. Wenn gelehrt wird, das die Worte des Testaments Christi nicht einfältig verstanden oder geglaubt werden sollen, wie sie lauten, sondern daß es dunkle Reden seien, deren Verstand man erst an andern Orten suchen müsse!
26] 5. Daß der Leib Christi im heiligen Abendmahl nicht mündlich mit dem Brot, sondern allein Brot und Wein mit dem Munde, der Leib Christi aber allein geistlich durch den Glauben empfangen werde.
27] 6. Das Brot und Wein im heiligen Abendmahl nicht mehr denn Kennzeichen seien, dadurch die Christen einander erkennen.
28] 7. Daß Brot und Wein allein Bedeutungen, Gleichnisse und Anbildungen [Abbildungen] des weit abwesenden Leibes und Blutes Christi seien.
29] 8. Daß Brot und Wein nicht mehr denn Denkzeichen, Siegel und Pfand seien, durch welche wir versichert [würden], wenn sich der Glaube über sich in [den] Himmel schwinge, daß er daselbst so wahrhaftig des Leibes und Blutes Christi teilhaftig werde, so wahrhaftig wir im Abendmahl Brot und Wein essen und trinken.
30] 9. Das die Versicherung und Bekräftigung unsers Glaubens im heiligen Abendmahl geschehe allein durch die äußerlichen Zeichen Brotes und Weines und nicht durch den wahrhaftigen gegenwärtigen Leib und Blut Christi.
31] 10. Daß im heiligen Abendmahl allein die Kraft, Wirkung und Verdienst des abwesenden Leibes und Blutes Christi ausgeteilt werde.
32] 11. Daß der Leib Christi also im Himmel beschlossen [eingeschlossen sei], daß er aus keinerlei Weise zumal und zu einer Zeit an vielen oder allen Orten gegenwärtig sein könne auf Erden, da sein heiliges Abendmahl gehalten wird.
33] 12. Daß Christus die wesentliche Gegenwärtigkeit seines Leibes und Blutes im heiligen Abendmahl nicht habe verheißen noch leisten können, weil die Natur und Eigenschaft seiner angenommenen menschlichen Natur solches nicht leiden noch zugeben könne.
34] 13. Das Gott nach aller seiner Allmächtigkeit (welches erschrecklich zu hören) nicht vermöge zu verschaffen, daß sein Leib auf eine Zeit mehr denn an einem Ort wesentlich gegenwärtig sei.
35] 14. Daß nicht die allmächtigen Worte des Testaments Christi, sondern der Glaube die Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahl schaffe und mache.
36] 15. Daß die Gläubigen den Leib Christi nicht bei dem Brot und Wein des heiligen Abendmahls suchen, sondern ihre Augen von dem Brot in [den] Himmel erheben und daselbst den Leib Christi suchen sollen.
37] 16. Daß die ungläubigen, unbußfertigen Christen im heiligen Abendmahl nicht den wahrhaftigen Leib und Blut Christi, sondern allein Brot und Wein empfangen.
38] 17. Daß die Würdigfeit der Gäste bei dieser himmlischen Mahlzeit nicht allein im wahrhaftigen Glauben an Christum, sondern auch aus der Menschen äuserlicher Bereitung stehe.
39] 18. Das auch die Rechtgläubigen, so einen wahrhaftigen, lebendigen, reinen Glauben an Christum haben und behalten, dies Sakrament zum Gericht empfangen können darum, das sie im äußerlichen Wandel noch unvollkommen sind.
40] 19. Das die äußerlichen sichtbaren Elemente Brotes und Weines im heiligen Sakrament sollen angebetet werden.
41] 20. Desgleichen befehlen wir auch dem [ge=]rechten Gericht Gottes alle vorwitzigen, spöttischen, lästerlichen Fragen (so Zucht halben nicht zu erzählen) und Reden, so aus grobe, fleischliche, kapernaitische und abscheuliche Weise von den übernatürlichen, himmlischen Geheimnissen dieses Sakraments ganz lästerlich und mit großem Ërgernis durch die Sakramentierer vorgebracht werden.
42] 21. Wie wir denn hiermit das kapernaitische Essen des Leibes Christi, als wenn man sein Fleisch mit Zähnen zerrisse und wie andere Speise verdaute, welches die Sakramentierer wider das Zeugnis ihres Gewissens, über all unser vielfältig Bezeugen, uns mutwillig ausdringen und dergestalt unsere Lehre bei ihren Zuhörern verhaßt machen, gänzlich Verdammen und dagegen halten und glauben, vermöge der einfältigen Worte des Testaments Christi, ein wahrhaftig, doch übernatürlich Essen des Leibes Christi wie auch Trinken seines Blutes, welches menschliche Sinne und Vernunft nicht begreifen, sondern unsern [sondern unser] Verstand in den Gehorsam Christi, wie in allen andern Artikeln des Glaubens, gefangengenommen [werden muß], und solch Geheimnis anders nicht denn allein mit [dem] Glauben gefaßt und im Wort geoffenbart wird.
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VIII. Von der Person Christi.
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1] Aus dem Streit von dem heiligen Abendmahl ist zwischen den reinen Theologen Augsburgischer Konfession und den Calvinisten (welche auch etliche andere Theologen irregemacht) eine Uneinigkeit entstanden von der Person Christi, von beiden Naturen in Christo und ihren Eigenschaften.
STATUS CONTROVERSIAE
Hauptstreit in diesem Zwiespalt.
2] Die Hauptfrage aber ist gewesen, ob die göttliche und menschliche Natur um der persönlichen Vereinigung willen realiter, das ist, mit [der] Tat und Wahrheit, in der Person Christi wie auch derselben Eigenschaften miteinander Gemeinschaft haben, und wie weit sich solche Gemeinschaft erstrecke.
3] Die Sakramentierer haben vor[ge]geben, die göttliche und menschliche Natur in Christo seien also persönlich vereinigt, daß keine mit der andern realiter, das ist, mit der Tat und Wahrheit, was einer jeden Natur eigen ist, sondern mehr nicht denn allein den Namen gemein haben. Denn unio, sagen sie schlecht, facit communia nomina, das ist, die persönliche Vereinigung macht mehr nicht denn die Namen gemein, das nämlich Gott Mensch und Mensch Gott genennet [genannt] wird, doch also, daß Gott nichts mit der Menschheit und die Menschheit nichts mit der Gottheit, derselben Majestät und Eigenschaften realiter, das ist, mit der Tat und Wahrheit, gemein habe. Das Widerspiel hat D. Luther, und die es mit ihm gehalten, wider die Sakramentierer gestritten [verfochten].
AFFIRMATIVA.
Reine Lehre der Christlichem Kirche von der Person Christi.
4] Solchen Streit zu erklären und nach Anleitung unsers christlichen Glaubens hinzulegen [beizulegen], ist unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis, folgt:
5] 1. Das die göttliche und menschliche Natur in Christo persönlich vereinigt [sind], also daß nicht zwei Christus, einer Gottes, der andere des Menschen Sohn, sondern ein einiger [ein und derselbe] Sohn Gottes und des Menschen Sohn sei, Luk. 1; Röm. 9.
6] 2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die götliche und menschliche Natur nicht in ein Wesen vermengt, keine in die andere verwandelt [sei], sondern eine jede ihre wesentlichen Eigenschaften behalte, welche der andern Natur Eigenschaften nimmermehr werden.
7] 3. Die Eigenschaften göttlicher Natur sind: allmächtig, ewig, unendlich, nach Eigenschaft der Natur und ihres natürlichen Wesens, für sich selbst, allenthalben gegenwärtig sein, alles wissen usw., welche der menschlichen Natur Eigenschaften nimmermehr werden.
8] 4. Die Eigenschaften menschlicher Natur sind: ein leiblich Geschöpf oder Kreatur sein, Fleisch und Blut sein, endlich und umschrieben sein, leiden, sterben, auf= und niederfahren, von einem Ort zum andern sich bewegen, Hunger, Durst, Frost, Hitze leiden und dergleichen, welche der göttlichen Natur Eigenschaften nimmermehr werden.
9] 5. Nachdem beide Naturen persönlich, das ist, in einer Person, vereinigt [sind], glauben, lehren und bekennen wir, daß diese Vereinigung nicht eine solche Verknüpfung und Verbindung sei, daß keine Natur mit der andern persönlich, das ist, um der persönlichen Vereinigung willen, etwas gemein haben soll; als, wenn einer zwei Bretter zusammnenleimt, da keines dem andern etwas gibt oder von dem andern nimmt, sondern hier ist die höchste Gemeinschaft, welche Gott mit dem Menschen wahrhaftig hat, aus welcher persönlichen Vereinigung und der daraus erfolgenden höchsten und unaussprechlichen Gemeinschaft alles herfleußt, was menschlich von Gott und göttlich vom Menschen Christo gesagt und geglaubt wird; wie solche Vereinigung und Gemeinschaft der Naturen die alten Kirchenlehrer durch die [durch das] Gleichnis eines feurigen Eisens wie auch der Vereinigung Leibes und der Seele im Menschen erklärt haben.
10] 6. Daher glauben, lehren und bekennen wir, daß Gott Mensch und Mensch Gott sei, welches nicht sein könnte, wenn die göttliche und menschliche Natur allerdings keine Gemeinschaft in Tat und Wahrheit miteinander hätten.
11] Denn wie könnte der Mensch, Marien Sohn, Gott oder Gottes des Allerhöchsten Sohn mit Wahrheit genennet [genannt] werden oder sein, wenn seine Menschheit mit Gottes Sohn nicht persönlich vereinigt und also realiter, das ist, mit der Tat und Wahrheit, nichts, sondern nur den Namen Gottes mit ihm gemein hätte?
12] 7. Daher glauben, lehren und bekennen wir, das Maria nicht einen blosen, purlauteren Menschen, sondern den wahrhaftigen Sohn Gottes empfangen und geboren habe, darum sie auch recht [mit Recht] die Mutter Gottes genennet wird und auch wahrhaftig ist.
13] 8. Daher glauben, lehren und bekennen wir auch, daß nicht ein purlauterer Mensch für uns gelitten, gestorben, begraben, gen Hölle gefahren, von Toten erstanden, gen Himmel gefahren und gesetzt zur Majestät und allmächtigen Kraft Gottes, sondern ein solcher Mensch, des menschliche Natur mit dem Sohn Gottes so eine tiefe, unaussprechliche Vereinigung und Gemeinschaft hat, daß sie mit ihm eine Person ist.
14] 9. Darum wahrhaftig der Sohn Gottes für uns gelitten [hat], doch nach Eigenschaft der menschlichen Natur, welche er in Einigkeit seiner göttlichen Person angenommen und ihm [und sich] eigen gemacht, daß er leiden und unser Hoherpriester zu unserer Versöhnung mit Gott sein könnte, wie geschrieben steht: “Sie haben den Hern der Herrlichkeit gekreuziget”; und: “Mit Gottes Blut sind wir erlöset worden”, 1 Kor. 2; Act. 20.
15] 10. Daher glauben, lehren und bekennen wir, daß des Menschen Sohn zur Rechten der allmächtigen Majestät und Kraft Gottes realiter, das ist, mit der Tat und Wahrheit, nach der menschlichen Natur erhöht [ist], weil er in Gott aufgenommen, als er von dem Heiligen Geist in Mutterleibe empfangen, und seine menschliche Natur mit dem Sohn des Allerhöchsten persönlich Vereinigt [worden ist].
16] 11. Welche Majestät er nach der persönlichen Vereinigung allwegen [allezeit] gehabt und sich doch derselben im Stande seiner Erniedrigung geäußert und [aus] der Ursache wahrhaftig an aller Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen zugenommen; darum er solche Majestät nicht allezeit, sondern wann es ihm gefallen, erzeigt [hat], bis er die Knechtsgestalt, und nicht die Natur, nach seiner Auferstehung ganz und gar hingelegt und in den völligen Gebrauch, Offenbarung und Erweisung der göttlichen Majestät gesetzt und also in seine Herrlichkeit eingegangen, daß er jetzt nicht allein als Gott, sondern auch als Mensch alles weiß, alles vermag, allen Kreaturen gegenwärtig ist und alles, was im Himmel, auf Erden und unter der Erde ist, unter seinen Füßen und in seinen Händen hat; wie er selbst zeugt: “Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden”; und St. Paulus: “Er ist über alle Himmel gefahren, auf daß er alles erfüllete”; welche seine Gewalt er allenthalben gegenwärtig üben kann, und ihm alles möglich und alles wissend ist, Phil. 2; Eph. 4.
17] 12. Daher er auch vermag und ihm ganz leicht ist, seinen wahrhaftigen Leib und Blut im heiligen Abendmahl gegenwärtig mitzuteilen; nicht nach der Art oder Eigenschaft der menschlichen Natur, sondern nach Art und Eigenschaft göttlicher Rechte, sagt Doktor Luther aus unserm christlichen Kinderglauben; welche Gegenwärtigkeit nicht irdisch, noch kapernaitanisch, gleichwohl wahrhaftig und wesentlich ist, wie die Worte seines Testaments lauten: “Das ist, ist, ist mein Leib” usw.
18] Durch diese unsere Lehre, Glauben und Bekenntnis wird die Person Christi nicht getrennt, wie Nestorius getan (welcher die communicationem idiomatum, das ist, die wahrhaftige Gemeinschaft der Eigenschaften beider Naturen in Christo, geleugnet und also die Person getrennt, erkläret); noch [werden] die Naturen samt ihren Eigenschaften miteinander in ein Wesen vermischt (wie Eutyches geirrt); noch die menschliche Natur in der Person Christi verleugnet oder abgetilgt wird; auch keine Natur in die andere verwandelt; sondern Christus ist und bleibt in alle Ewigkeit Gott und Mensch in einer unzertrennten Person; welches nach der heiligen Dreifaltigkeit das höchste Geheimnis ist, wie der Apostel zeugt 1 Tim. 3, in welchem unser einiger Trost, Leben und Seligkeit steht.
NEGATIVA.
Widerwärtige falsche Lehre von der Person Christi.
19] Demnach verwerfen und verdammen wir als Gottes Wort und unserm einfältigen christlichen Glauben zuwider aIle nachfolgenden irrigen Artikel, wenn gelehrt wird:
20] I. Daß Gott und Mensch in Christo nicht eine Person, sondern ein anderer Gottes und ein anderer des Menschen Sohn sei; wie Nestorius narrt.
21] 2. Daß die göttliche und menschliche Natur miteinander in einWesen vermischt und die menschliche Natur in die Gottheit verwandelt [sei]; wie Eutychus geschwärmt.
22] 3. Daß Christus nicht wahrhaftiger, natürlicher, ewiger Gott sei; wie Arius gehalten.
23] 4. Daß Christus nicht eine wahrhaftige menschliche Natur gehabt, wie Marcion gedichtet hat.
24] 5. Quod unio personaIis faciat tantum communia nomina, das ist, daß die persönliche Vereinigung mache allein die Titel und Namen gemein.
25] 6. Daß es nur eine phrasis und modus Ioquendi, das ist, nur Worte und eine Weise zu reden sei, wenn man sagt: Gott ist Mensch, Mensch ist Gott; denn die Gottheit habe nichts mit der Menschheit wie auch die Menschheit nichts mit der Gottheit realiter, das ist, mit der Tat, gemein.
26] 7. Daß es nur communicatio verbalis, das ist, nichts denn Worte sei, wenn gesagt wird, Gottes Sohn sei für der Welt Sünde gestorben, des Menschen Sohn sei aIlmächtig [ge]worden.
27] 8. Daß die menschliche Natur in Christo auf solche Weise wie die Gottheit ein unendlich Wesen [ge]worden, und aus solcher wesentlicher, mitgeteilter, in die menschliche Natur ausgegossener und von Gott abgesonderter Kraft und Eigenschaft aus solche Weise wie die göttliche Natur aIlenthalben gegenwärtig sei.
28] 9. Daß die menschliche Natur der göttlichen Natur an ihrer Substanz und Wesen oder an derselben wesentlichen Eigenschaften exäquiert und gleich [ge]worden sei.
29] 10. Daß die menschliche Natur Christi in alle Orte des Himmels und der Erden räumlich ausgespannt [sei], welches auch der göttlichen Natur nicht zugemessen werden soIl.
30] 11. Daß Christo unmöglich sei von wegen der Eigenschaft menschlicher Natur, daß er zumal [zu gleicher Zeit] mehr denn an einem Ort, noch viel weniger aIlenthalben mit seinem Leibe sein könnte.
31] 12. Daß aIlein die bloße Menschheit für uns gelitten und uns erlöst habe, und daß der Sohn Gottes im Leiden mit derselben keine Gemeinschaft mit der Tat gehabt, als wenn es ihn nichts an[ge]gangen hätte.
32] 13. Daß Christus aIlein nach seiner Gottheit bei uns auf Erden im Wort, Sakramenten und allen unsern Nöten gegenwärtig sei, und solche Gegenwärtigkeit seine menschliche Natur ganz und gar nichts angehe, nach welcher er auch mit uns auf Erden, nachdem er uns durch sein Leiden und Sterben erlöst, nicht mehr [nichts mehr] zu schaffen habe.
33] 14. Daß der Sohn Gottes, so die menschliche Natur angenommen, nachdem er Knechtsgestalt abgelegt, nicht aIle Werke seiner AlImächtigkeit in, durch und mit seiner menschlichen Natur verrichte, sondern nur etliche, und allein an dem Ort, da die menschliche Natur räumlich sei.
34] 15. Daß er nach der menschlichen Natur der Allmächtigkeit und anderer Eigenschaften göttlicher Natur aIlerdinge nicht fähig sei; wider den ausgedruckten [ausdrücklichen] Spruch Christi: “Mir ist gegeben aIle Gewalt im Himmel und auf Erben”, Matth. 28; und St. Paulus: “In ihm Wohnet aIle FüIle der Gottheit leibhaftig”, Kol. 2.
35] 16. Daß ihm größere Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben, nämlich größere und mehr denn aIlen Engeln und andern Kreaturen, aber mit der AIlmächtigkeit Gottes habe er keine Gemeinschaft, sei ihm auch dieselbe nicht gegeben. Daher sie eine mediam potentiam, das ist, eine solche Gewalt zwischen Gottes aIlmächtiger Gewalt und anderer Kreaturen Gewalt, dichten, die Christo nach seiner Menschheit durch die Erhöhung gegeben, die weniger denn Gottes aIlmächtige Gewalt und größer denn anderer Kreaturen Gewalt sei.
36] 17. Daß Christus nach seinem menschlichen Geist ein gewisses Maß habe, wieviel er wissen solle, und daß er nicht mehr wisse, denn ihm gebührt: und vonnöten sei, zu seinem Richteramt zu wissen.
37] 18. Daß Christus noch nicht voIlkommene Erkenntnis Gottes und aIler seiner Werke habe; von dem doch geschrieben steht, daß: “in ihm alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen seien”, Kol. 2.
38] 19. Daß Christo nach seinem menschlichen Geist unmöglich sei zu wissen, was von Ewigkeit gewesen, was jetzund aIlenthalben geschehe und noch in Ewigkeit fein werde.
39] 20. Da gelehrt und der Spruch Matth. 28: “Mir ist gegeben aIle Gewalt” usw. also gedeutet und lästerlich verkehrt wird, daß Christo nach der göttlichen Natur in der Auferstehung und seiner Himmelfahrt restituiert, das ist, wiederum zugesteIlt worden sei aIle Gewalt im Himmel und auf Erden, als hätte er im Stande seiner [Er]Niedrigung auch nach der Gottheit solche abgelegt und verlassen. Durch welche Lehre nicht allein die Worte des Testaments Christi verkehrt [werden], sondern auch der verdammten arianischen Ketzerei der Weg bereitet [wird], daß endlich Christus’ ewige Gottheit verleugnet, und also Christus ganz und gar samt unserer Seligkeit verloren [würde], da [wenn] solcher falschen Lehre aus beständigem Grunde göttliches Worts und unsers einfältigen christlichen Glaubens nicht widersprochen würde.
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IX. Von der Höllenfahrt Christi.
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STATUS CONTROVERSIAE
Hauptstreit über diesen Artikel.
1] Es ist auch unter etlichen Theologen, so der Augsburgischen Konfession zugetan, über diesen Artikel gestritten worden: wann und auf was Weise der Herr Christus, vermöge [laut] unsers einfältigen christlichen Glaubens, gen HöIle gefahren, ob es geschehen sei vor oder nach seinem Tode; item, ob es nach der Seele allein oder nach der Gottheit allein oder mit Leib und Seele, geistlich oder leiblich zu[ge]gangen; item, ob dieser Artikel gehöre zum Leiden oder zum herrlichen Sieg und Triumph Christi.
2] Nachdem aber dieser Artikel wie auch der vor[her]gehende nicht mit den Sinnen noch mit der Vernunft begriffen werden kann, sondern muß allein mit dem Glauben gefaßt werden, ist unser einheIlig Bedenken, daß solches nicht zu disputieren, sondern nur muß einfältigste geglaubt und gelehrt werden soIle; 3] inmaßen D. Luther seliger in der predigt zu Torgau Anno 33 usw. solchen Artikel ganz christlich erklärt, aIle unnützlichen, unnotwendigen Fragen abgeschnitten und zu christlicher Einfalt des Glaubens aIle frommen Christen vermahnt [hat].
4] Denn es ist genug, daß wir wissen, daß Christus in die HöIle gefahren, die HöIle aIlen Gläubigen zerstört und sie aus der Gewalt des Todes, Teufels, ewiger Verdammnis des höllischen Rachens erlöst habe, wie aber solches zu[ge]gangen, sollen wir sparen bis in die andere Welt, da uns nicht allein dies Stück, sondern auch noch anderes mehr geoffenbart [werden wird], das wir hier einfältig gegläubt [haben] und mit unserer blinden Vernunft nicht begreifen können.
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X. Von Kirchengebräuchen,
so man Adiaphora oder Mitteldinge nennt.
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1] Von Zeremonien oder Kirchengebräuchen, welche in Gottes Wort weder geboten noch verboten, sondern um guter Ordnung und Wohlstands [Wohlanstands, kirchlicher Schicklichkeit] wiIlen in die Kirche eingeführt, hat sich auch zwischen den Theologen Augsburgischer Konfession ein Zwiespalt zugetragen.
STATUS CONTROVERSIAE
Der Hauptstreit von diesem Artikel.
2] Die Hauptfrage aber ist gewesen, ob man zur Zeit der Verfolgung und im FaIl des Bekenntnisses, wenn die Feinde des Evangelii sich gleich nicht mit uns in der Lehre vergleichen, dennoch mit unverletztem Gewissen etliche gefaIlene [in Abgang gekommene, abgeschaffte] Zeremonien, so an ihm selbst [so an sich] Mitteldinge und von Gott weder geboten noch Verboten [sind], aus der Widersacher Dringen und Erfordern wiederum ausrichten und sich also mit ihnen in solchen Zeremonien und Mitteldingen vergleichen möge. Der eine Teil hat ja, der andere hat nein dazu gesagt.
AFFIRMATIVA.
Die rechte, wahrhaftige Lehre und Bekenntnis von diesem Artikel.
3] I. Zur Hinlegung [Beilegung] auch dieses Zwiespalts glauben, lehren und bekennen wir einheIlig, daß die Zeremonien oder Kirchengebräuche, welche im Gottes Wort weder geboten noch verboten, sondern allein um Wohlstands und guter Ordnung wiIlen angesteIlt [eingeführt sind], an ihnen und für sich selbst kein Gottesdienst, auch kein Teil desselben seien; Matth. 16: “Sie ehren mich Umsonst mit menschlichen Geboten.”
4] 2. Wir glauben, lehren und bekennen, daß die Gemeinde Gottes jedes Orts und jeder Zeit nach derselben Gelegenheit Macht habe, solche Zeremonien zu ändern, wie es der Gemeinde Gottes am nützlichsten und erbaulichsten sein mag.
5] 3. Doch daß hierin aIle Leichtfertigkeit und Ërgernis gemieden, und sonderlich der Schwachgläubigen mit aIlem Fleiß verschont werde, 1 Kor. 8: Röm. 14.
6] 4. Wir glauben, lehren und bekennen, daß zur Zeit der Verfolgung, wenn ein rundes Bekenntnis des Glaubens von uns erfordert [wird], in solchen Mitteldingen den Feinden nicht zu weichen [sei]; wie der Apostel geschrieben: “So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat, und laßt euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen!” Gal. 5. Item: “Ziehet nicht am fremden Joch! Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?” 2 Kor. 6. Item: “Auf daß die Wahrheit des Evangelii bei euch bestünde, wichen wir denselben nicht eine Stunde, untertänig zu sein”, Gal. 2. Denn in solchem FaIle ist es nicht mehr um Mitteldinge, sondern um die Wahrheit des Evangelii, um die christliche Freiheit und um die Bestätigung öffentlicher Abgötterei wie auch um Verhütung des Ërgernisses der Schwachgläubigen zu tun, darin wir nichts zu vergeben haben, sondern rund bekennen und darüber leiden soIlen, was uns Gott zuschickt und über uns den Feinden seines Worts verhängt [über uns verhängt und den Feinden seines Wortes zuläßt].
7] 5. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß keine Kirche die andere verdammen soIl, daß eine weniger oder mehr äußerlicher von Gott ungebotener Zeremonien denn die andere hat, wenn sonst in der Lehre und aIlen derselben Artikeln wie auch im rechten Gebrauch der heiligen Sakramente miteinander Einigkeit gehalten [wird], nach dem wohlbekannten Spruch: Dissonantia ieiunii non dissolvit consonantiam fidei. Ungleichheit des Fastens soIl die Einigkeit im Glauben nicht trennen.
NEGATIVA.
Falsche Lehre von diesem Artikel.
8] Demnach verwerfen und verdammen wir als Unrecht und dem Worte Gottes zuwider, wenn gelehrt wird:
9] 1. Daß Menschengebote und Satzungen in der Kirche für sich selbst als ein Gottesdienst oder Teil desselben gehalten werden soIlen.
10] 2. Wenn solche Zeremonien, Gebote und Satzungen mit Zwang als notwendig der Gemeinde Gottes wider ihre christliche Freiheit, so sie in äußerlichen Dingen hat, ausgedrungen werden.
11] 3. Item, daß man zur Zeit der Verfolgung und öffentlichen Bekenntnisses den Feinden des heiligen Evangelii (welches zum Abbruch der Wahrheit dient) in dergleichen Mitteldingen und Zeremonien möge wiIlfahren oder sich mit ihnen vergleichen.
12] 4. Item, wenn solche äußerliche Zeremonien und Mitteldinge also abgeschafft werden, als soIlte es der Gemeinde Gottes nicht freistehen, nach ihrer guten Gelegenheit, wie es jederzeit der Kirche am nützlichsten, sich eines oder mehrerer in christlicher Freiheit zu gebrauchen.
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XI. Von der ewigen Vorsehung und Wahl Gottes.
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1] Von diesem Artikel ist kein öffentlicher Zwiespalt unter den Theologen Augsburgischer Konfession eingefaIlen [erregt worden]. Dieweil es aber ein tröstlicher Artikel, wenn er recht gehandelt, und deshalben [und damit seinethalben] nicht künftiglich ärgerliche Disputation eingeführt werden möchte, ist derselbe in dieser Schrift auch erklärt worden.
AFFIRMATIVA.
Reine, wahrhaftige Lehre von diesem Artikel.
2] 1. Anfänglich ist der Unterschied zwischen der praescientia et praedestinatione, das ist, zwischen der Vorsehung und ewigen Wahl Gottes, mit Fleiß zu merken.
3] 2. Denn die Vorsehung Gottes ist anders :nichts, denn daß Gott alle Dinge weiß, ehe sie geschehen, wie geschrieben steht: “Gott im Himmel kann verborgene Dinge offenbaren; der hat dem König Nebukadnezar angezeigt, was in künftigen Zeiten geschehen soIl”, Dan. 2.
4] 3. Diese Vorsehung geht zugleich über die Frommen und Bösen, ist aber keine Ursache des Bösen, weder der Sünde, daß man unrecht tü (welche ursprünglich aus dem Teufel und des Menschen bösem, verkehrtem WiIlen herkommt), noch ihres Verderbens, daran sie selbst schuldig [schuld], sondern ordnet allein dasselbe und steckt ihm ein Ziel, wie lang es währen, und aIles, unangesehen daß es an ihm selbst böse, seinen Auserwählten zu ihrem Heil dienen solle.
5] 4. Die Prädestination aber oder ewige Wahl Gottes geht allein über die frommen, wohlgefälIigen Kinder Gottes, die eine Ursache ist ihrer Seligkeit, welche er auch schafft, und was zur selbigen gehört, verordnet, darauf unsere Seligkeit so steif gegründet [ist], daß sie die Pforten der HöIle nicht überwältigen können, Joh. 10; Matth. I6.
6] 5. Solche ist nicht in dem heimlichen Rat Gottes zu erforschen, sondern in dem Wort zu suchen, da sie auch geoffenbart worden ist.
7] 6. Das Wort Gottes aber führt uns zu Christo, der das Buch des Lebens ist, in welchem aIle die geschrieben und erwählt sind, welche da ewig selig werden soIlen; wie geschrieben steht: “Er hat uns durch denselben Christum erwählet, ehe der Welt Grund geleget war”, Eph. 1.
8] 7. Dieser Christus ruft zu ihm [zu sich] alle Sünder und verheißt ihnen Erquickung, und ist ihm Ernst, daß alle Menschen zu ihm kommen und ihnen [sich] helfen lassen soIlen, denen er sich im Wort anbeut [anbietet], und wiIl, daß man es höre und nicht die Ohren verstopfen oder das Wort verachten soIl; verheißt dazu die Kraft und Wirkung des Heiligen Geistes, göttlichen Beistand zur Beständigkeit und ewigen Seligkeit.
9] 8. Derhalben wir von solcher unserer Wahl zum ewigen Leben weder aus der Vernunft noch aus dem Gesetz Gottes urteilen sollen, welche uns entweder in ein wild, wüst, epikurisch Leben oder in Verzweiflung führen und schädliche Gedanken in den Herzen der Menschen erwecken, daß sie bei sich selbst gedenken, auch solcher Gedanken sich nicht recht erwehren können, solange sie ihrer Vernunft folgen: Hat mich Gott erwählt zur Seligkeit, so kann ich nicht verdammt werden, ich tü, was ich woIle; und wiederum: Bin ich nicht erwählt zum ewigen Leben, so hilft’s nichts, was ich Gutes tü; es ist doch aIles umsonst.
10] 9. Sondern es muß allein aus dem heiligen Evangelio von Christo gelernt werden, in welchem klar bezeugt wird, wie Gott alles unter den Unglauben beschlossen, auf daß er sich aller erbarme, und nicht will, daß jemand verloren werde, sondern sich jedermann zur Buße bekehre und an den Her Christum glaube, Hesek. 18. 33; 1 Joh. 2. 11] 10. Wer nun sich also mit dem geoffenbarten WiIlen Gottes bekümmert und der Ordnung nachgeht, welche St. Paulus in der Epistel an die Römer gehalten, der zuvor die Menschen zur Buße, Erkenntnis der Sünden, zum Glauben an Christum, zum göttlichen Gehorsam weist, ehe er vom Geheimnis der ewigen Wahl Gottes redet: dem ist solche Lehre nützlich und tröstlich.
12] 11. Daß aber viele berufen und wenige auserwählt sind, hat es nicht diese Meinung, als woIle Gott nicht jedermann selig machen, sondern die Ursache ist, daß sie Gottes Wort entweder gar nicht hören, sondern mutwiIlig verachten, die Ohren und ihr Herz verstocken und also dem Heiligen Geist den ordentlichen Weg versteIlen, daß er sein Werk in ihnen nicht haben kann, oder da sie es gehört haben, wiederum in [den] Wind schlagen und nicht achten, daran nicht Gott oder seine Wahl, sondern ihre Bosheit schuldig [schuld] ist, 2 Petr. 2; Luk. 11; Hebr. l2.
13] 12. Und so fern soIl sich ein Christ des Artikels von der ewigen Wahl Gottes annehmen, wie sie im Wort Gottes geoffenbart [ist], welches uns Christum als das Buch des Lebens vorhält, das er uns durch die Predigt des heiligen Evangelii aufschleußt [aufschließt] und offenbart, wie geschrieben steht: “Welche er erwählet hat, die hat er auch berufen“, Röm. 8, in dem wir die ewige Wahl des Vaters suchen soIlen, der in seinem ewigen göttlichen Rat beschlossen [hat], daß er außerhalb denen, so seinen Sohn Christum erkennen und wahrhaftig an ihn glauben, niemand woIle selig machen, und sich anderer Gedanken entschlagen, welche nicht aus Gott, sondern aus Eingeben des bösen Feindes herfließen, dadurch er sich untersteht, uns den herrlichen Trost zu schwächen oder gar zu nehmen, den wir in dieser heilsamen Lehre haben: daß wir wissen, wie wir aus lauter Gnade, ohne all unser Verdienst, in Christo zum ewigen Leben erwählt seien, und daß uns niemand aus seiner Hand reißen könne; wie er denn solche gnädige Erwählung nicht allein mit bloßen Worten zusagt, sondern auch mit dem Eide beteürt und mit den heiligen Sakramenten versiegelt hat, deren wir uns in unsern höchsten Anfechtungen erinnern und trösten und damit die feurigen Pfeile des Teufels auslöschen können.
14] 13. Daneben soIlen wir uns zum höchsten befleißigen, nach dem WiIlen Gottes zu leben und unsern Beruf, wie St. Petrus vermahnt, festzumachen, 2 Petr. 1, und sonderlich an das geoffenbarte Wort uns halten; das kann und wird uns nicht fehlen.
15] 14. Durch diese kurze Erklärung der ewigen Wahl Gottes wird Gott seine Ehre ganz und vöIlig gegeben, daß er aIlein aus lauter Barmherzigkeit ohne all unser Verdienst uns selig mache nach dem Vorsatz seines WiIlens; daneben auch niemand einige Ursache zur Kleinmütigkeit oder rohem, wildem Leben gegeben [wird].
ANTITHESIS oder NEGATIVA.
Falsche Lehre von diesem Artikel.
16] Demnach glauben und halten wir: welche die Lehre von der gnädigen Wahl Gottes zum ewigen Leben also führen, daß sich die betrübten Christen derselben nicht trösten können, sondern dadurch zur Kleinmütigkeit oder Verzweiflung verursacht, oder die Unbußfertigen in ihrem Mutwillen gestärkt werden, daß solche Lehre nicht nach dem Wort und WiIlen Gottes, sondern nach der Vernunft und Anstiftung des leidigen Satans getrieben werde, weil aIles, was geschrieben ist, wie der Apostel zeugt, “uns zur Lehre geschrieben [ist], auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben”, Röm. 15. Demnach verwerfen wir folgende Irrtümer:
17] 1. Als wenn gelehrt wird, daß Gott nicht woIle, daß aIle Menschen Buße tun und dem Evangelio glauben.
18] 2. Item, wenn Gott uns zu sich berufe, daß es nicht sein Ernst sei, daß alle Menschen zu ihm kommen soIlen.
19] 3. Item, daß Gott nicht woIle, daß jedermann selig werde, sondern [daß etliche], unangesehen ihre Sünde, allein aus dem bloßen Rat, Vorsatz und WiIlen Gottes zur Verdammnis verordnet [seien], daß sie nicht können selig werden.
20] 4. Item, daß nicht allein die Barmherzigkeit Gottes und das allerheiligste Verdienst Christi, sondern auch in uns eine Ursache sei der Wahl Gottes, um welcher willen Gott uns zum ewigen Leben erwählt habe.
21] Welches aIles lästerliche und erschreckliche irrige Lehren sind, dadurch den Christen aIler Trost genommen [wird], den sie im heiligen Evangelio und Gebrauch der heiligen Sakramente haben, und derwegen in der Kirche Gottes nicht sollten geduldet werden.
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22] Dies ist die kurze und einfältige Erklärung der streitigen Artikel, so eine Zeitlang von den Theologen Augsburgischer Konfession widerwärtig disputiert und gelehrt worden. Daraus ein jeder einfältiger Christ nach Anleitung Gottes Worts und seines einfältigen Katechismi vernehmen kann, was recht oder unrecht sei, da nicht allein die reine Lehre gesetzt, sondern auch derselben widerwärtige, irrige Lehre ausgesetzt [verurteilt], verworfen und also die eingefaIlenen ärgerlichen Spaltungen grundlich entschieden sind.
23] Der allmächtige Gott und Vater unsers Hern Jeu verleihe die Gnade seines Heiligen Geistes, daß wir alle in ihm einig seien und in solcher christlichen und ihm wohlgefälligen Einigkeit beständiglich bleiben! Amen.
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[XII.] Von andern Rotten und Sekten,
so sich niemals zu der Augsburgischen Konfession bekannt.
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1] Damit uns auch nicht stillschweigend solche zugemessen [werden], weil wir derselben in vorgesetzter Erklärung keine Meldung getan, haben wir zu Ende allein die blosen Artikel erzählen wollen, darin sie sich irren und vielgedachtem unserm Christlichen Glauben und Bekenntnis zuwider lehren.
Irrige Artikel der Wiedertäufer.
2] Die Wiedertäufer sind unter sich selbst in viele Haufen geteilt, da einer viel, der andere wenig Irrtümer bestreitet [verteidigt]; insgemein aber führen sie solche Lehre, die weder in der Kirche noch in der Polizei und weltlichem Regiment noch in der Haushaltung zu dulden noch zu leiden [sind].
Unleidliche Artikel in der Kirche.
3] 1. Das Christus seinen Leib und Blut nicht von Maria der Jungfrau angenommen, sondern vom Himmel mit sich gebracht [habe].
4] 2. Das Christus nicht wahrhaftiger Gott [sei], sondern nur mehr Gaben des Heiligen Geistes habe denn sonst ein heiliger Mensch.
5] 3. Daß unsere Gerechtigkeit vor Gott nicht allein auf dem einigen Verdienst Christi, sondern in der Erneurung und also in unserer eigenen Frömmigkeit stehe, in der wir wandeln. Welche zum großen Teil auf eigene, sonderliche, selbsterwählte Geistlichkeit gesetzt und im Grunde anderes nichts denn eine neü Möncherei ist.
6] 4. Das die Kinder, so nicht getauft, vor Gott nicht Sünder, sondern gerecht und unschuldig seien, welche in ihrer Unschuld, weil sie noch nicht zu ihrem Verstand [ge]kommen, ohne die Taufe (deren, ihrem Vorgeben nach, sie nicht bedürfen) selig werden. Verwerfen also die ganze Lehre von der Erbsünde, und was derselben anhanget [anhängt].
7] 5. Das die Kinder nicht sollen getauft werden, bis sie zu ihrem Verstand kommen und ihren Glauben selbst bekennen können.
8] 6. Daß der Christen Kinder darum, weil sie von christlichen und gläubigen Eltern geboren, auch ohne und vor der Taufe heilig und Gottes Kinder seien; auch der Ursache [halben] der Kinder Taufe weder hochhalten noch befördern, wider die ausgedrückten [ausdrücklichen] Worte der Verheißung Gottes, die sich allein aus die erstreckt, welche seinen Bund halten und denselben nicht verachten, Gen. 17.
9] 7. Daß dies keine rechte christliche Gemeinde sei, darin noch Sünder gefunden werden.
10] 8. Daß man keine predigt hören noch in den Tempeln besuchen solle, darin zuvor päpstische Messe gehalten und gelesen worden.
11] 9. Das man nichts mit den Kirchendienern, so das Evangelium vermöge [laut] Augsburgischer Konfession predigen und der Wiedertäufer predigen und Irrtümer strafen, zu schaffen haben, ihnen auch weder dienen noch etwas arbeiten, sondern [sie] als die Verkehrer Gottes Worts fliehen und meiden soll.
Unleidliche Artikel in der Polizei.
12] 1. Daß die Obrigkeit kein gottgefälliger Stand im Neün Testament sei.
13] 2. Daß ein Christenmensch mit gutem, unverletztem Gewissen das Amt der Obrigkeit nicht tragen noch verwalten könne.
14] 3. Daß ein Christ mit unverletztem Gewissen das Amt der Obrigkeit in zufälligen Sachen wider die Bösen nicht gebrauchen [dürfe], noch derselben Untertanen ihre habende und von Gott empfangene Gewalt zum Schutz und Schirm anrufen mögen.
15] 4. Daß ein Christenmensch mit gutem Gewissen keinen Eid schwören noch mit Eid seinem Landesfürsten oder Oberherrn die Erbhuld[ig]ung tun könne.
16] 5. Daß die Obrigkeit im Neün Testament in [mit] unverletztem Gewissen die Übeltäter am Leben nicht strafen könne.
Unleidliche Artikel in der Haushaltung.
17] 1. Daß ein Christ mit gutem Gewissen nichts Eigenes behalten noch besitzen könne, sondern schuldig sei, dasselbe in die Gemein [in die Gemeinde= oder Kommunkasse] zu geben.
18] 2. Daß ein Christ mit gutem Gewissen kein Gastgeber, Kaufmann oder Messerschmied sein könne.
19] 3. Das Eheleute um des Glaubens willen sich voneinander scheiden und eins das andere verlassen und mit einem andern, das seines Glaubens ist, sich Verehelichen möge.
Irrige Artikel der Schwenkfeldianer.
20] 1. Das alle die keine rechte Erkenntnis des regierenden Himmelskönigs Christi haben, welche Christum nach dem Fleisch für eine Kreatur halten.
21] 2. Daß das Fleisch Christi durch die Erhöhung also alle göttlichen Eigenschaften angenommen, das er, Christus, als Mensch an Macht, Kraft, Majestät, Herrlichkeit dem Vater und dem Wort allenthalben im Grad und Stelle des Wesens gleich, das nunmehr einerlei Wesen, Eigenschaft, Wille und Glorie beider Naturen in Christo seien, und daß das Fleisch Christ zu dem Wesen der heiligen Dreifaltigkeit gehöre.
22] 3. Daß der Kirchendienst, das gepredigte und gehörte Wort, nicht sei ein Mittel, dadurch Gott der Heilige Geist die Menschen lehre, die seligmachende Erkenntnis Christi, Bekehrung, Buße, Glauben und neün Gehorsam in ihnen wirke.
23] 4. Daß das Taufwasser nicht sei ein Mittel, dadurch Gott der Her die Kindschaft versiegele und die Wiedergeburt wirke.
24] 5. Das Brot und Wein im heiligen Abendmahl nicht Mittel seien, dadurch und damit Christus seinen Leib und Blut austeile.
25] 6. Daß ein Christenmensch, der wahrhaftig durch den Geist Gottes wiedergeboren, das Gesetz Gottes in diesem Leben vollkommen halten und erfüllen könne.
26] 7. Daß keine rechte christliche Gemeinde sei, da kein öffentlicher Ausschluß oder ordemtlicher Prozeß des Bannes gehalten werde.
27] 8. Daß der Diener der Kirche andere Leute nicht nützlich lehren oder rechte, wahrhaftige Sakramente austeilen könne, welcher nicht auch für seine Person wahrhaftig verneürt, wiedergeboren, gerecht und fromm sei.
Irrtum der neün Arianer.
28] Daß Christus nicht ein wahrhaftiger, wesentlicher, natürlicher Gott, eines ewigen göttlichen Wesens mit Gott dem Vater und dem Heiligen Geist, sondern allein mit göttlicher Majestät, unter und neben Gott dem Vater, geziert sei.
Irrtum der Antitrinitarier.
29] Das ist gar eine neü Sekte, zuvor in der Christenheit nicht erhört, welche glauben, lehren und bekennen, daß nicht ein einig, ewig göttlich Wesen sei des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes; sondern wie Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist drei unterschiedliche Personen seien, also habe auch eine jede Person ihr unterschiedlich und von andern Personen der Gottheit abgesondert Wesen, die doch entweder alle drei, wie sonst drei unterschiedene und voneinander in ihrem Wesen abgesonderte Menschen, gleicher Gewalt, Weisheit, Majestät und Herrlichkeit [seien], oder am Wesen und Eigenschaften einander ungleich, das allein der Vater rechter wahrer Gott sei.
30] Diese und dergleichen Artikel allzumal, und was denselben mehr Irrtums anhängig [ist] und daraus erfolgt, verwerfen und verdammen wir als unrecht, falsch, ketzerisch, dem Worte Gottes, den dreien Symbolis, der Augsburgischen Konfession und Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln und Katechismis Lutheri zuwider, vor welchen alle frommen Christen hohen und niedrigen Standes sich hüten sollen, so lieb ihnen ihrer Seelen Heil und Seligkeit ist.
31] Das dies unser aller Lehre, Glaube und Bekenntnis sei, wie wir solches am Jüngsten Tage vor dem gerechten Richter, unserm Hern Jeu Christo, verantworten, dawider auch nichts heimlich noch öffentlich reden oder schreiben wollen, sondern gedenken vermittelst der Gnade Gottes dabei zu bleiben, haben wir wohlbedächtig in wahrer Furcht und Anrufung Gottes mit eigenen Händen unterschrieben. [Am Schluß der Epitome steht in den Handschriften: “Actum Bergae. den 29. Mai, Anno l577.” Dann folgen als unterschriften die Namen: Iacobus Andreä D., Nicolaus Selneccerus D., Andreas Musculus D., Christophorus Cornerus D., David Chyträus D., Martinus Chemnitius D. Ebenso am Schlusse der Declaratio, jedoch ohne Actum und Datum.]